Tagebuch von Michael Desler
18. November 2001
Uns ist endlich ein Sohn geboren, doch seine
Geburt wurde gleich auf doppelte Weise vom Schatten des Todes
verdunkelt: Zuerst kam er mit seinem Zwillingsbruder auf die Welt, doch
dieser war schon tot. Es sah aus, als wäre er totgebissen worden, aber
ich musste vor Trauer und Grauen den Blick abwenden, bevor ich mehr sah.
Und dann holte Gott auch noch Anna zu sich. Frau und Sohn in einem
verloren, nur ein Kind bleibt mir. Ich werde es beschützen, egal wie!
20. November 2001
Die Ärzte munkeln, mein kleiner Sohn hätte
seinen Bruder totgebissen. So ein Unsinn, er hat doch gar keine Zähne,
aber nervös macht es mich dennoch…
18. November 2002
Mein kleiner Vincent ist jetzt ein Jahr alt und
ich habe das Gefühl, er ist intelligenter als viele Kleinkinder. Er
läuft und macht die ersten Versuche zu sprechen, aber dass ist es nicht.
Er hat so eine Ausstrahlung. Ich spüre etwas Dunkles, doch ich schäme
mich, wann immer ich die Schuld bei meinem Sohn suche. Es wird wohl der
Verlust sein, den seine Geburt mir brachte.
23. November 2002
Heute ist etwas Seltsames passiert. Vincent ist
ein begeisterter Maler und verbringt einen großen Teil des Tages mit
seinen Stiften. Doch heute malte er nur ein Bild und mied den Maltisch.
Als ich das Bild sah, schluckte ich. Es war eine Leiche, übersäht mit
Bissspuren.
Als ich ihn fragte, was das sein sollte,
hoffend, dass ich mich verguckt hatte, lächelte Vincent mich an und
sagte: „Bruda!“ Kann es sein, dass er sich tatsächlich an diesen Tag
erinnert.
24. November 2002
Er malte heute weitere Bilder, diesmal von
Essen. Am Ende aber malte er wieder ein Bild seines Bruders. Als ich ihn
nach dem Grund fragte erwiderte er, er habe heute ausschließlich Essen
gemalt. Mir kommt wieder in den Sinn, was die Ärzte sagten.
24. Mai 2010
Ich hatte heute ein Gespräch mit Vincents
Klassenlehrerin. Sie kann einfach nicht mehr alles abtun, was Vincent
von sich gibt. Er zeigt Freude bei Vorstellungen von grausamen Themen,
spricht immer nur von Morden, Gewalt und Folter… Zudem wirkt er seltsam
abwesend, spielt nie mit anderen. Obwohl er sonst immer höflich und
zuvorkommend sei, reagiere er, wenn man ihn auf sein Verhalten
anspricht, ungewöhnlich aggressiv. Heute hat er eine Klassenkameradin
ins Krankenhaus geprügelt. Ihre Mutter will morgen zu mir kommen und
sich über weiteres Vorgehen unterhalten, ich suche nach psychiatrischen
Kliniken in der Gegend.
30. Mai 2010
Es ist alles meine Schuld, ich war zu blind.
Morgen werden die Ärzte Vincent mitnehmen, aber es ist zu spät. Die
Mutter, die kommen wollte hatte einen tödlichen Unfall, ihre Tochter
starb im Krankenhaus. Ich bin der Nächste, ich muss vorher
niederschreiben wie man ihn töten kann: Man mu
Tagebuch von Polizeikommissar Robert Crowns
1. August 2010
Ich
wurde heute zu einem Amoklauf in einer Schule gerufen. Eine völlig
hysterische Lehrerin rief mich. Ich dachte erst, sie würde übertreiben,
aber es war schlimmer als jeder Amoklauf den ich je im Fernsehen gesehen
hatte. Die Kinder waren geradezu ausgeweidet, die Lehrer verstümmelt.
Dem Hausmeister war sein Besen quer durch den Hals gerammt worden. Der
Junge hatte vor kurzer Zeit eine Frau, deren Tochter, seinen Vater und
zwei Beamte einer psychiatrischen Klinik getötet und war heute in seine
Grundschule zurückgekehrt. Unter den Opfern war mein Sohn.
Der
Täter heißt Vincent Desler, nennt sich selbst aber Descent, Abgrund im
Englischen. Er befindet sich jetzt auf der Flucht. Bis auf weiteres, bin
ich mit der Verfolgung betraut. Felix River von der Interpol wird in
wenigen Tagen mit einem sechsköpfigen Team eintreffen, um mir die nötige
Unterstützung zu sichern.
2. August 2010
Gleich zwei gute Nachrichten an einem Tag. Desler wurde gesehen und Mr. River ist endlich eingetroffen. Bei ihm sind Hector Rood, Brutus Kings, Lesley Shining, Christopher Torchmaker, Adreas Sanderson und Amy Lin. Unsere Einheit wird in wenigen Stunden ausrücken. Vielleicht werde ich nicht zurückkommen.
Logbuch von Interpol- Sondereinheitsführer Felix River
18. 8. 2010; 21:15
Wir haben das Versteck ausfindig gemacht und werden das Subjekt in Kürze zur friedlichen Kapitulation aufrufen.
Bei Fehlschlag, wird Rood
augenblicklich das Feuer eröffnen. Kommissar Crowns steht mit dreißig
Polizisten, die mit offizieller Spezialausrüstung ausgestattet wurden,
in der zweiten Angriffslinie. Hinter dem Haus sind Shining und
Torchmaker postiert, über dem Gebäude befinden sich Kings und Lin in
einem Helikopter, Lin ist mit Scharfschützenwaffen bis an die Zähne voll
gestopft. Sanderson bleibt bei
mir und wird nur dann in Aktion treten, wenn etwas schief geht. In
diesem Fall ist dies vermutlich mein letzter verdammter Tag auf Erden
und ich darf einen kleinen, minderjährigen Psychopathen jagen. Manchmal
denke ich, ich wäre doch lieber Popstar geworden.
18. 8. 2010; 21:30
Verdammte Scheiße! Rood wurde direkt
nach der Kapitulationsaufforderung erschossen, daraufhin sind die
Polizisten eingerückt, einschließlich Crowns, der jetzt als einziger
Überlebender ins Krankenhaus gebracht wird.
Es scheint, als hätte der kleine
Bastard übersinnliche Kräfte, wie sonst hätte er dreißig Polizisten mit
Spezialausrüstung erledigen können. Scheint so, als würde es doch noch
spannend werden. Kings wird gleich das Gebäude sprengen.
Selbst wenn der kleine Mistkerl es überlebt, er wird aus seiner Deckung kommen müssen.
18. 8. 2010; 22:00
Es wird kritisch. Der Heli ist
abgestürzt, aber der alte Teufel Kings hat ihn noch ins Haus gejagt.
Hoffentlich hat Gott einen Luxusplatz im Himmel für ihn. Für Lin
natürlich auch. Es tut mir für ihre Tochter leid. Wenn ich das hier
nicht überlebe, dann soll sie meine Stelle kriegen. Sie wird sich so
oder so rächen wollen, und wenn sie sich schon in Gefahr begibt, dann
mit aller Hilfe, die ich ihr geben kann. Ich habe „Lebend fassen“
übrigens von der Optionsliste gestrichen. Der Arsch wird brennen!
18. 8. 2010; 22:15
Nur Sanderson und ich leben noch. Eines
muss ich Desler lassen, er macht keine halben Sachen. Er versteckt sich
jetzt im Wald, der hinter dem Haus lag. Dass er auf dem Weg Shining und
Torchmaker getötet hat, muss ich wohl nicht erwähnen. Ich weiß nach wie
vor nicht, was er für Kräfte hat, aber dieses Kind ist das pure Böse!
18.8.2010; 23:55
Es ist vorbei. Für mich. Sanderson ist
tot. Ich habe mich in einem winzigen Schuppen eingeschlossen, aber ich
komme hier nicht mehr raus. Ich bin am Überlegen, ob ich etwas bereue.
Es gab da mal eine Frau, die mir eine wichtige Frage gestellt hat. Ich
glaube, die Antwort ist das Einzige, das in diese Kategorie fallen
könnte.
Ich hab gehört, dass sich manche Leute vor ihrem Tod einen letzten Song wünschen.
In diesem Fall hätte ich gerne '''Next market day von Noel McLoughlin". Nun, dass war’s wohl. Ich werde gleich erfahren, was dieser Typ kann. Ich werde jetzt lächelnd sterben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen