Um
geschätzte 4:00 Uhr morgens ging ich auf den Dachboden und nahm meine
alten Schulbücher für einen Brennhaufen. Ich schloss gerade meine
Abiturprüfungen ab und, wie meine Freunde, hasste ich jedes einzelne
Fach, welches ich abschloss. Mathematik, Geschichte, Englisch - vor
allem Englisch, das hasste ich am meisten. So fand ich nun die
Bücher, die ich einige Monate zuvor in eine Ecke gelegt hatte. Auf denen
befand sich so viel Staub, dass sich daraus Zuckerwatte herstellen
ließe. Ich genoss den Moment, in dem ich zum letzten mal auf diese
Bücher schaute, denn ich wusste, es wird das letzte mal sein, dass ich
sie sehe. Ich nahm die Bücher unter meinen Arm und überlegte, ob ich
mich kurz danach noch umziehe.
Doch
dann entdeckten meine Augen etwas. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie
ich es bemerkte, jedoch erinnere ich mich, dass ich davon so fasziniert
war, dass ich die Bücher auf den Boden fallen ließ. Es war eine rote
CD-Hülle, die die Größe eines durchschnittlichen Buches hatte. Es gab
keine Worte, um es zu bes
chreiben.
Es sah aus wie ein Computerspiel, das von einem frühreren Hausbesitzer
zurückgelassen wurde. Zu der Zeit liebte ich Computerspiele, also war
ich sehr neugierig, was das für ein Spiel gewesen sein könnte.
Als
ich die CD aus der Tasche nahm, schien mir das sehr künstlerisch, da es
kein Publisher-Design war, sondern ein komplett weißes Spiel mit etwas
Text, der mit einem schwarzen Filzstift geschrieben wurde. Die Worte
lauteten: “Chatroom 98″. Ich war nicht gerade erfreut, als ich erfuhr,
dass es sich hierbei nicht um ein Spiel handelte, sondern sich jemand
tatsächlich bemühte, einen Chatroom zu kreieren, anstatt sich für einen
Chatroom im Internet anzumelden. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass es
irgendetwas anderes ist. Ich hatte Recht; es war nicht das, was ich
dachte. Ich wurde neugierig und ließ die wertlosen Schulbücher zurück.
Ich legte die CD in meinen alten Laptop ein und nach einem kurzen
Augenblick erschien ein rotes Feld ohne Text. Ich war nicht sicher, was
ich machen sollte, doch es dauerte nicht mal eine halbe Minute, bis der
ganze Bildschirm schwarz wurde. Plötzlich erschienen die Worte:
„Willkommen im Chatroom 98“. „Chatroom 98“? Was hatte das für eine
Bedeutung? Kurz darauf erschien ein weißes Textfeld in der Mitte des
Bildschirms. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, also schrieb ich ein
einfach: „Hallo“. Ich erwartete keine Antwort. Dennoch bekam ich eine.
Eine Person namens Darwyn Clarke antwortete: „Guten Abend“.
Es
bestand keine Möglichkeit, dass diese Person real war, da ich als
einziger diese Chatroom-CD besaß. Ich erkannte schnell, dass es einer
dieser Chatbots war, die programmiert wurden, um eine intelligente
Konversation zu simulieren. Jedoch hielt ich die ganze Sache für etwas
seltsam. Ich lebte bereits 6 Jahre in diesem Haus, jedoch bin ich einer
roten Box wie dieser nie in meinem ganzen Leben begegnet. Ich ging davon
aus, dass der Vorbesitzer des Hauses sie gehabt haben musste. Ich
versuchte also ein Gespräch mit dem Bot zu beginnen, um zu prüfen, wie
umfangreich und flexibel dieser programmiert wurde.
„Ein
schönes Wetter”, schrieb ich. Nach nicht mal 3 Sekunden antwortete Mr.
Clarke: „Nein, es ist ziemlich miserabel heute.” Ich war etwas
verblüfft. Das Wetter schien mehr oder weniger genau so zu sein, wie der
Bot es beschrieben hatte, denn ich schaute aus dem Fenster und
bemerkte, dass Regen vom Himmel strömte. Ich war nicht allzu überrascht,
denn der Chatbot wurde schlicht und einfach in England programmiert, um
zu sagen, wo sich der momentane Stand der Chatperson befand und in
England regnet es bekanntermaßen häufig. Ich schrieb Folgendes:
„Was
sind Ihre Lieblingsfilme?”. Erneut bekam ich eine Antwort darauf, sie
lautete: „Eher weniger. Ich bevorzuge das Theater.” Das Theater? Befand
ich mich möglicherweise in einem Gespräch mit einem alten Mann?
Deshalb fragte ich: “Wie alt bist du?”
Ich
machte mir nicht lange darüber Gedanken, was ich fragen könnte, um eine
Antwort zu erhalten. Ich war schließlich überzeugt, dass er auf alle
meine Fragen antworten könne. Und wieder bekam ich eine Antwort zurück:
„Ich werde Ihnen etwas über mich erzählen. Ich wurde 1867 geboren und
wuchs mit zwei Schwestern auf, die ich jedoch hasste.” Okay, wer dies
programmierte muss anscheinend sehr lustig drauf gewesen sein. Lachend
antwortete ich:
„Nun,
ich bin 2098 geboren, mit zwei identischen, außerirdischen
Zwillingsbrüdern vom Planeten Boogaloo. Außerdem bin ich Jesus.” Ich
fragte mich, was der alte Mann als nächstes antworten würde. Ich wusste
zwar, dass es ein Chatbot war, jedoch glaubte ich in einigen Momenten,
aus irgendeinem unerklärlichen Grund, mit einer realen Person im Chat
gewesen zu sein. Er sagte: „Wirklich? Wie lustig. Es freut mich, Sie
kennenzulernen, Mr. Jesus. Hatten ihre Brüder sonst noch irgend jemanden
zu der Zeit entführt?”
Ich
war erneut erstaunt. Der Macher dieses Chat muss wirklich eine
beeindruckende Arbeit geleistet haben. Ich tippte eine weitere Antwort
in den Chat: „Allerdings, sie sind tatsächlich außerirdische Pädophile,
die sich auf die Jagd nach Beute machen. Du solltest lieber aufpassen,
denn Sie haben ebenfalls ein Gespür für Chaträume.“
Die
nächste Antwort war beunruhigend. Clarke antwortete: „Nun, obwohl ich
in einem Chatraum erscheine, war ich ein normaler Mensch wie du und alle
anderen auch, bis ich mit einem Urteil für meine Sünden konfrontiert
wurde.”
Ich
wusste nicht, was zum Teufel er sprach, jedoch erschreckten mich die
ergreifenden Details seiner Schilderung für eine Sekunde. Es war so…
real. Zu real, um wahr zu sein. Zu meiner Überraschung tippte er eine
weitere Nachricht ins Fenster ein:
„Du versteht das nicht? Lass es mich dir erklären. Meine gehassten Schwestern hatten einen tragischen Unfall.”
Mir
war plötzlich kalt geworden. Ich begann zu frieren. Dies war nicht nur
irgendein Chatbot. Es war ein Psycho-Chatbot oder es handelte sich um
einen großen, schlechten Witz. Um seine Reaktion zu sehen, tippte ich
Folgendes ein: „Weißt du, was meine Brüder letztens gemacht haben?”. Im
Nachhinein wurde ich ziemlich überrascht, denn Darwyn Clarke antwortete
wieder, nur dieses Mal konnte ich sehen, wie seine Botschaft gerade
getippt wurde. Ähnlich einer Lochstreifenschreibmaschine: „Du bist das
einzige Kind, David.”
Was
zum Teufel? Nun wurde ich wirklich erschreckt. Ich saß ängstlich da und
tippte: „Wer zur Hölle bist du?”. Die Antwort wurde nicht mehr von der
KI vorgenommen, sondern gegenüber schien eine echte Person gewesen zu
sein, die mit mir schrieb.
„Lass mich dir die Geschichte erzählen. Weißt du, was in dem Haus des Vorbesitzers passiert ist?”
Ich saß da wie ein Idiot, der auf den Computer starrte, um eine Antwort zu erhalten.
„Das Gleiche passierte meinen beiden Schwestern, die ich verachtet hatte.”
Genug!
Ich zog die Maus über das rote Kreuz auf der rechten Seite im
Bildschirm, um dem Alptraum ein Ende zu setzen. Ich war erleichtert.
Während dem Chat vergingen gerade mal fünf Minuten, jedoch kam es mir
vor, als würde ich seit zwei Stunden hier sitzen. Als ich den Computer
herunterfahren wollte, passierte mir etwas Undenkbares.
Der
Computer reagierte nicht, es war alles verbuggt und selbst der Ausknopf
funktionierte nicht. Schlimmer noch, das Chatfenster öffnete sich auf
einmal von selbst. Eine weitere Nachricht traf auf der Bildschirmfläche
ein doch zu diesem Zeitpunkt war ich mir nicht mehr im Klaren darüber,
ob das gerade echt war oder ich mir das nur einbildete...
„Du hast noch nicht alles gehört.”
Aus
Nervösität und Angst tippte ich schnell etwas ein: “Wollen Sie etwa
meinen Computer zerstören? Ich empfinde es nicht mehr als lustig!”
Nun
glaubte ich, dass ich wusste, wo diese Erlebnisse damals vorgefallen
waren, von denen er berichtete. Darwyn Clarke tippte erneut in das
Fenster, doch dieses Mal in einem sehr langsamen Abstand. Alles, was ich
hören konnte, war mein Herzschlag. Er wurde mit jeder neuen Nachricht
lauter, mein Gesicht war voller Schweiß und ich atmete hastig. Ich
konzentrierte mich immer mehr auf die kommenden Buchstaben, die langsam
und folternd eingegeben wurden. Der Ausdruck meines Gesichtes, der auf
meinem Laptop als Spiegelbild reflektiert wurde, war furchtbar und
geprägt von Todesangst. Die letzte Nachricht, die er mir schrieb, gab
mir und meinem Verstand den Rest und ruinierte meine Gesundheit: ...
„Schaue hinter dich.”
Das
Einzige, woran ich mich erinnern kann, ist, dass alles um mich herum
auf einmal in Zeitlupe verfiel. Ich war ernsthaft besorgt. Ein Teil
meines Körpers versuchte mir klarzumachen, dass etwas hinter mir war,
während der andere Teil mir einredete, dass es alles eine Einbildung
sei. Ich schloss meine Augen und biss die Zähne heftig zusammen. Ein
riesiger Stein fiel mir vom Herzen, als ich gesehen habe, dass nichts
hinter mir war. Nichts, absolut nichts. Ich setzte ein leichtes Lächeln
auf und fühle mich nun sicher, bis ich auf meinen Computermonitor
zurückblickte. Ich musste es schon vorher gesehen haben, als ich mich
umdrehte; es erwischte mich sowieso.
Es
war ein Gesicht. Ein verdammtes, weiß-blasses Gesicht eines Mannes, das
mich auf dem Laptopbildschirm anstarrte. Sein Haar war blond und er
schien in Mitte der zwanziger Jahre gewesen zu sein. Sein
Gesichtsausdruck war das genaue Gegenteil von freundlich. Seine Augen
hatten eine karminrote Farbe.
Ich
sah es nur für Bruchteile von Sekunden. Das war alles, was ich
wahrnehmen konnte. Ich begann zu schreien, krampfte und wurde für 4
Stunden bewusstlos. Das war alles, was mir Dr. Martin erzählte. Momentan
ist er derjenige, der auf mich aufpasst. Dennoch kann er sich nicht
annähernd vorstellen, was ich durchgemacht habe.
Um
4:30 Uhr am Morgen, sitzend in einem Bett, teile ich meine Geschichte
mit der Welt. Selbst beim Schreiben habe ich eine scheiß Angst, dass
Darwyns Gesicht auf dem Bildschirm erscheint und mich erneut zu Tode
erschreckt. Man kann immer noch mein verwirrtes und entsetztes Gesicht
sehen. Es scheint, als würde ich unter einem Trauma leiden... Rund um
meine Augen sind purpurrote Kreise zu sehen, da ich seit zwei Wochen
kaum geschlafen habe. Ich habe zwar versucht zu schlafen, doch das
Gesicht… dieses Gesicht raubt mir jeden Schlaf...
Nun
habe ich meine Geschichte geschrieben, um euch vor diesem Erlebnis zu
warnen; wenn du eine rote CD-Hülle siehst, komm erst gar nicht in
Versuchung und werfe sie gleich weg. Das Öffnen der CD kann zum
Schlimmsten führen. Ich werde nun aus dem Fenster des dritten Stocks
springen. Ich halte das nicht mehr länger aus. Ich habe eine scheiß'
Angst. Ich will jetzt sterben! Wenn jemand versucht mich
wiederzubeleben, werde ich es demjenigen heimzahlen. Erneut wiederhole
ich, gehe nicht - und suche erst recht nicht nach Darwyn Clarke.
Möglicherweise ist er echt oder auch nicht, ich weiß es nicht. Doch die
Tatsache, dass er einen in den Wahnsinn treibt, bleibt.
Du hast diese Nachricht gelesen, sage es jedem und überall weiter;
SUCHE NICHT NACH DARWYN CLARKE! WENN DU IHN FINDEST, WIRST DU DEINEN VERSTAND VERLIEREN!
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