Montag, 9. Februar 2015

Ich

Ich bin jetzt anders. Sie haben mich verändert. Haben mich gestählt, haben mir die Furcht genommen. Das dachte ich jedenfalls. Ihr alle redet davon wie hart ihr doch seit, wie euch nichts schocken kann, wie ihr die körperliche wie seelische Zerstörung von Materie als Witz dartellt. Habt ihr schonmal gesehen, wie jemandem die Haut abgezogen wird oder sein Gesicht durch Hammerschläge zerspringt? Nein, aber ihr redet drüber, als ob es ein KIinderscherz ist. Habt ihr euch schon die Klinge ins Auge gestoßen und es euch herausgeschält? Natürlich nicht. Ich habe eure Götter geschlachtet, habe sie lachend in die Futtermühle geworfen und zugesehen, wie ihre Körper von den Klingen zerfetzt wurden. Sie haben das Grauen getötet, ihn zu dem gemacht, was er heute ist. Kinderunterhaltung. Kommt mit mir, ich zeige euch die Realität.
Stellt euch vor, ihr seid in einem der Länder, die ihr unter das Joch des Krieges legt. Stellt euch vor, ihr stolpert weinend eine Straße hinunter, die von Leichen und Trümmern gesäumt ist. Eure Mutter wurde soeben von einer Schrotladung in Stücke gerissen. Euer Vater wurde von den Soldaten tot geprügelt. Eure Geschwister, vielleicht drei und sieben Jahre alt, liegen mit dem Gesicht unten im Garten. Weil sie kein Gesicht mehr haben, die Kugeln haben es abgerissen. Überall sterben Menschen. Ich weiß, lustig nicht wahr? Aber stellt euch vor, ihr seid der, der rennen muss.
Stellt euch vor, ihr seid in einem Land, fern weg, so dass die anderen Länder zwar sagen "Guckt euch an, was da los ist." aber einen Scheißdreck sich sonst stören. Eine Seuche hat die Bevölkerung dezimiert, überall laufen kranke Menschen rum, ihr lebt in der Angst nicht mehr lange zu leben. Ihr könnt nichts essen, nichts trinken nicht richtig atmen. Da alles verseucht ist. Die Leiber eurer Freunde und Familien liegen in irgendwelchen Kalkgruben, sodass sie nicht stinken. Ihre Gesichter flehen stumm um Erlösung, denn in den letzten Minuten ihres Lebens, welches sie mit euch teilten, litten sie Höllenqualen und wünschten sich nichts anderes als zu sterben. Ich weiß, lustig nicht wahr? Aber stellt euch vor, ihr seid der, der sie verbrennen muss.
Stellt euch vor, ihr werdet Nachts überfallen. Ihr liegt nichts böses ahnend in euren Betten. Schließlich leben wir in einer tollen Gesellschaft, wo alles gut und kontrolliert ist, richtig? Ihr hört jemanden unten im Wohnzimmer. Dort wo ihr mit eurer Familie vor dem überteuerten Fernseher sitzt, wo ihr die staatliche Propaganda schluckt, dass alles in eurem Land in Ordnung ist. Ihr schaut nach, was los ist und schon werdet ihr niedergeschlagen. Ihr müsst zusehen, wie eure Eltern, eure Frau und Kinder oder eure Geschwister gefesselt werden, ihr nur da stitz und nichts tun könnt. Ihr müsst zusehen wie eure Frau vergewaltigt wird, oder eure Eltern erschlagen. Stellt euch vor, ihr seid der, der zugucken müsst.
Stellt euch vor, ihr geht in eine Bank, nichts ahnend. Ihr wartet ein paar Minuten, als auf einmal ein Wagen in das Gebäude fährt. Maskierte Räuber sprigen heraus, eröffnen das Feuer auf euch. Der Bankangestellte von gerade, der soeben noch der alten Nachbarin die Rente ausgezahlt hat, wird zersprengt, seine Innereien fliegen durch den Raum. Überall schreien Menschen, Kinder weinen, Frauen kreischen. Ihr kauert euch unter einem Tisch zusammen und seht Kinder sterben, Menschen werden abgeschlachtet, für Geld. Ihr werdet entdeckt, hoch gerissen und bekommt eine gefälschte Waffe in die Hand gedrückt . Draußen hört ihr schon die Polizei. Euch wird eine Granate in den Gürtel gesteckt, und ihr werdet gezwungen vor die Tür zu gehen. Ihr öffnet die Türen der Bank, wollt der Polizei erklären was los ist, aber schon eröffnen die Polizisten das Feuer. Stellt euch vor, ihr seid der, der niedergeschossen wird.
Stellt euch vor, ihr seid jung und geht friedvoll einen Waldweg entlang. Ihr erfreut euch des Sommers, der euer Kleid so schön zur Geltung bringt. Ihr freut euch auf morgen, wo ihr euch mit euren Freunden trefft und Spaß haben werdet. Mit einem Mal werdet ihr von hinten gepackt und euer Mund wird euch zugehalten. Eure Augen werden verbunden und ehe ihr euch verseht, landet ihr auf der Ladefläche eines Vans. Ihr fahrt in ein altes Fabrikgebäude, wo ihr in einen Keller gesperrt werdet. Stundenlang vergeht sich euer Entführer an euch. Ihr habt keine Chance, euch zu wehren oder zu schreien. Nur stumm dazuliegen und es zu ertragen. Das geht über Wochen so. Wochen voller Angst, Qual und Schmerzen. Ihr wisst, ihr kommt hier nie wieder heraus. Und dann eines Tages, hört ihr Lärm. Euer Peiniger kommt herein, ein Knall und Schreie ertönen. Ihr spürt wie etwas warmes auf eueren nackten Körper klatscht. Dann fällt ein Körper zu Boden. Eure Augenbinde wird abgenommen und ihr seht, wie Polizisten in den Raum drängen. Es ist ein dunkles feuchtes Kellerverlies. Ihr seid mit dem Schädelinhalt eures Entführers, eures Peinigers, eures einzigen Freundes der letzten Wochen bedeckt. Seine Leiche liegt mit halben Kopf am Boden. Stellt euch vor, ihr seid die, die enführt wurde

Spüre meinen Schmerz

Das warme Blut lief an ihrem Handgelenk herunter und tröpfelte leise in das Wachbecken vor ihr. Trotz der Schmerzen, die sie verspürte, lies sie das Messer nicht ruhen. Das leicht schmunzeln, dass ihre Lippen zierte, war von Tränen begleitet. Ihre blonden Haare hatte sie zu einem Zopf zusammen gebunden, dennoch vielen ihr einige Strähnen ins Gesicht. Hinter den Gläsern ihrer Brille schimmerten ihren blauen, ja fast grauen Augen hervor. Ihren Ärmel hatte sie an dem linken Arm hochgekrempelt. Die rechte Hand hielt ein ausgeklapptes Taschenmesser. Ihr Blut war noch so rein, doch sie verschwendete es. Zwar konnte sie es immer runter schlucken, wenn sie wieder diese Beleidigungen hörte, oder die leichten Wunden davon trug, doch das ihr niemand half brachte sie um den Verstand. Ihr Selbstbewusstsein wurde immer kleiner, bis sie ihnen glaubte, dass sie nichts wehrt sei. Sie fand sich jeden Abend um Punkt 8 Uhr genau in diesem Zimmer wieder. Das Bad ihres Hauses. Dann schnitt sie sich vorsichtig das Handgelenk auf und vergoss etwas von ihrem Blut. Der Schmerz tat ihr gut! Er zeigte ihr, dass sie noch lebte. Doch niemand würde es nachvollziehen. Sie lies es niemanden erfahren. Ihr Pullover war immer extra groß, damit sie keine Schwierigkeiten damit hatte, die Wunden zu verbergen. Es machte es ein wenig schwer, mit ihrer Größe noch einen zu großen Pullover in der Damenabteilung zu finden. Daher trug sie immer Männeroberteile. Es gab manchmal Ausnahmen, doch dann zog sie sich Handschuhe an, die definitiv über die Wunden reichten. Niemand wusste es. Vielleicht ahnten manche etwas, doch sie lies es sich auch nicht anmerken. Das sie sich manchmal nur zurück ziehen wollte, konnte sie auch nicht verhindern, aber sie wusste doch, das niemand ihr helfen würde.
Nachdem sie sich wieder das Blut abgewaschen hatte, zog sie ihren Ärmel wieder runter und schloss die Badtür auf. Sie setzte sich in ihr Zimmer und zog ihr Handy hervor. Sie verlor sich vielleicht etwas in der Welt des Internets, doch es hatte auch seine Vorteile. Sie konnte mit den einzigen zwei Leuten schreiben, bei denen sie das Gefühl hatte, dass sie sie verstehen würden. Beide waren etwas älter als sie und hatten so ziemlich das selbe hinter sich gebracht. Durch ihre beiden Freundinnen Maraike und Kristin hatte sie das Gefühl, nicht allein zu sein. Sie machte dies nun schon so lange, dass sie flinke Finger hatte, was das tippen am Handy betraf. Es viel ihr nicht schwer, einige Sätze in Sekunden zu schreiben. Während sie so schrieb, hörte sie eigentlich immer Musik. Mal war es etwas Techno artiges, oder auch mal Dubstep. Wenn es ihr richtig schlecht ging, hatte sie ihre „Depri CDs“ um sich etwas wohler zu fühlen. Manchmal weinte sie dabei, oder sang jedes Wort mit. Das hing vom Tag ab. An diesem Tag ging es ihr noch schlechter, da sie bald Geburtstag hatte und niemanden zum feiern hatte.Maraike wäre wahrscheinlich die einzige, die mit ihr feiern würde, so hatte sie das Gefühl. Kristin hatte sie übers Internet kennengelernt, was zur Folge hatte, dass sie weit auseinander wohnten. Doch wenn sie mit ihr schrieb, fühlte sie sich ihr ganz nah! Heute war sie sehr müde, was sie den Entschluss hat machen lassen, dass sie früh schlafen wollte. Sie ging noch einmal hinunter, um sich noch etwas zu trinken zu holen und sah dort ihre Mutter auf dem Sofa sitzen. „Hey!“ Sagte sie schlaff. „Ich geh gleich ins Bett!“ Ihre Mutter schaute auf. „Huch, warum so früh?“ Kam die leicht kratziege Stimme ihrer Mutter. „Bin halt müde!“ Die Frau auf der Couch setzte ihr Rotweinglas an die Lippen und nahm ein kleinen Schluck. „Na, wenn du meinst!“ Ihr Blick viel zu dem Handgelenk des jungen Mädchens. Zu dessen Pech war die Wunde noch am bluten und ihr Oberteil war weiß! „Was ist das?“ Fragte Frenzin. „Das? Das ist nur... Ich hab mir wohl meine Neurodermitis aufgekratzt!“ Die erwachsene schüttelte den Kopf. „Du sollst doch nicht kratzen!“ Das Mädchen nickte. „Ich weiß!“ Eigentlich kratze sie kaum noch an den wunden stellen der Hautkrankheit, doch es war eine gute Ausrede. Schnell ging das Mädchen in die Küche, goss sich etwas zu trinken ein, trank es in einem Zug aus und verschwand dann wieder die Treppen hoch in ihr Zimmer.

Sie erinnerte sich nicht daran, was sie geträumt hatte, als sie aufwachte. Ein Blick auf die Uhr genügte, um ihr zu sagen, dass sie mal wieder verschlafen hatte. Einmal nachgedacht und ihr viel ein, dass es ihr mal wieder nichts ausmachte. Sie stand auf und legte sich in Gang. Sie wusste nicht, warum, aber heute verspürte sie den Drang vor der Schule nochmal ins Bad zu gehen und ihr Messer zu zücken. Sie zog sich schnell an und schloss sich im Bad ein. Wieder eine neue Wunde, wieder das warme Blut, wieder die verkniffenen Tränen. Doch es war ihr so Routine, dass sie es schaffte sich schnell danach wieder zu beruhigen. Da sie keine Zeit mehr zum Frühstücken hatte, oder sich diese nahm, war sie auch schon wieder fast auf dem Weg in die Schule. Sie zog ihre Jacke an, ihre Schuhe und öffnete dann die Tür. „Bis nachher!“ Rief sie in die Wohnung hinein. Von ihrer Mutter erhielt sie ein „Schönen Schultag“ und stellte dann ihren Ranzen in den Fahrradkorb. Es regte leicht, was sie sehr genoss. Die kleinen Kälte Tröpfchen, die ihr ins Gesicht flogen sorgten für ein leichtes kribbeln auf der Haut. Nachdem sie für einen Augenblick die Kälte genossen hatte, schloss sie ihr Fahrrad auf und begann los zu fahren. Da sie nur zwei Kilometer von ihrer Schule entfernt wohnte, brauchte sie auch nicht sehr lange zu fahren. An einer Stelle musste sie halten, da sie die Bahnübergänge überqueren musste und ein Zug gerade kam. Sie sah den Zug immer näher kommen. Sie hatte den Gedanken, wie einfach es doch wäre, alles zu beenden, doch sie wartete zu lange. Schon war der kurze Zug vorbei. Sie schüttelte kurz den Kopf über sich selbst, bevor sie weiter fuhr.
Wenig später kam sie an ihrer Schule an. Im Hand umdrehen hatte sie ihr Fahrrad angeschlossen und trabte in ihre Klasse. Kaum dort angekommen, kamen wieder die Beleidigungen. Sie legte kurz ihre Sachen an ihren Platz, um danach dann in die Nebenklasse zu gehen, wo eine Freundin von ihr war. „Morgen Lisa!“ Begrüßte sie mit etwas leiserer Stimme ihre Freundin, mit den Becken langen Harren. Diese drehte sich sofort um. „Hey!“ Unglaublicher weise war Lisa an diesem Morgen etwas ruhiger als sonst. Merkte sie, dass es der Blondine heute nicht so gut ginge? Die Brillenträgerin aber schien dies nicht zu interessieren. Sie hatte eine Hand in die Hosentasche gesteckt, in der sie ihr Taschenmesser versteckt hatte. Unbemerkt spielte sie leicht nervös damit. Doch, sie hatte nicht viel Zeit, um mit ihrer Freundin zu reden, da die Lehrerin in die Klasse kam, und sie sich schnell aus dem Staub machen musste. Sie ging wieder in ihre Klasse, wo auch der Lehrer eingetroffen war. Sie bekam den Unterricht kaum mit. Sie war in Gedanken die ganze Zeit über woanders. Um genauer zu sein, war sie mit ihren Gedanken an einem Waschbecken. Sie verstand nicht, warum, aber sie hatte heute einen stärkere Drang dazu. Es dauerte gefühlt Ewigkeiten, bis es endlich zur Pause klingelte. Doch, als diese dann endlich erreicht war, machte sich das Mädchen sofort auf den Weg zu den Toiletten. Da in ihrer Schule auch die Wachbecken abgetrennt wurden, konnte sie es unbemerkt machen. Noch einmal einen Blick über die Schulter geworfen und dann das Messer gezückt. Schnell stellte sie denn Wasserhahn an, damit auch ja niemand etwas hören konnte. Sie schob ihren Ärmel hoch und setzte die Klinge an. Langsam zog sie das Messer zurück und lies es fein säuberlich die Haut durch schneiden. Doch, es hatte nicht diesen leicht befriedigenden Effekt, wie sonst. Diesmal war es nur Schmerz. Ein wenig erschrocken fing sie einen neuen Schnitt an. Es war das gleiche. Nur Schmerz. Diese Tatsache machte sie leicht wütend. Wieder schnitt sie sich. Diesmal etwas tiefer. Das Blut war mittlerweile zu einem Rinnsal geworden. Es sorgte dafür, dass sich das Wasser rötlich färbte. Noch ein Einschnitt und noch einer! Doch es half nichts! Es kam nur Schmerz über sie. Als sie schließlich verstand, was sie da tat, hatte sie schon einen großen Teil ihrer Haut durch schnitten. Sie verlor nicht gerade wenig Blut. „Kiara?“ Erklang eine leise Stimme hinter ihr. Das hilflose Mädchen drehte leicht den Kopf zur Seite, um heraus zu finden, wer sie da angesprochen hatte. Eine Mitschülerin sah sie mit weit aufgerissenen Augen erst in ihre Augen, dann auf das stak blutende Handgelenk.
„Was machst du da?“ Fragte sie weiter. Kiara sah kurz zu ihrem Handgelenk, dann zu der anderen. „Ich erleide Schmerzen!“ Stellte sie fest. „Warum tust du dir so etwas an?“ Die Stimme war so leise, dass man kaum etwas verstehen konnte. „Das interessiert dich wohl eher wenig!“ Sie zog ihren Ärmel wieder über die Wunde, was allerdings nicht viel half. In ihr staute sich ein wenig Wut an. Warum hatte sie sich nur erwischen lassen? Sie war zu dem auch noch durcheinander. Sie verstand nicht, warum ihre Mitschülerin so etwas wie Mitleid zeigen sollte. Sie war so durch den Wind, dass sie einfach wieder zurück ging. Ihre Wunde hatte sie vergessen und das Messer, dass sie noch immer aufgeklappt in der Hand hielt, mit Blut beschmiert. Sie ging wieder in ihre Klasse. Eine kleine Blutspur war hinter ihr. Alle, die dies bemerkten, sahen sie erschrocken an. Kiara aber versuchte nur ihre Gedanken zu sortieren. Sie ging schnell an ihren Platz und setzte sich. Ihr Blick starr ins Nichts. Ihre Mitschülerin, die sie auf der Toilette erwischt hatte, war ihr eilig gefolgt und versuchte nun, mit ihr zu reden. Aber keine Stimme drang zu dem verschreckten Mädchen durch. Schließlich aber passierte das, was wohl jeder hätte vorher sehen müssen. Jemand setzte sich auf den Tisch von Kiara und schaute zu ihr herab. „Hast du dich echt geritzt?“ Lachte die leicht kratzige Stimme Marcells. „Gott, ist die dumm!“ Kam die Stimme von Greg. „Wie kommt man nur auf eine so behinderte Idee?“ Lachte Lukas. Kiara war verzweifelt. Was konnte sie jetzt noch machen? Jetzt konnte sie nicht um sich selbst trauern. Sie spürte noch immer den stechenden Schmerz, der von ihrem Handgelenk her kam. Mit der rechten Hand umklammerte sie fest ihr Taschenmesser. Langsam biss sie die Zähne fester aufeinander. „Warum hast du dich nicht gleich umgebracht?“ Grinste Emil. Deren ständigen Witze! Wut stieg in dem Mädchen hoch.
Weiter prasselten die Witze der Jungen auf sie nieder. Doch dann war der Punkt erreicht. Kiara sprang auf, packte Marcell am Oberteil und schrie: „Spür meinen Schmerz!“ Ohne weiter nach zu denken, rammte sie ihr Messer zwischen die Rippen des Jungen. Dieser konnte nur mit aufgerissenen Augen zu der Wunde schauen. Alles war still geworden und wie in Zeitlupe sickerte das Blut aus der Wunde. Marcell sah noch ein letztes mal zu Kiara, bevor er zur Seite kippte. Kiara hatte nicht eine Sekunde daran gedacht, ihm zu helfen. Ihr zuvor noch von Wut zusammengepresstes Gesicht hatte sich jetzt leicht gebessert. Ihre Lippen umspielten ein leichtes Lächeln. Alle starrten auf das Mädchen. Sie zog das Messer aus der Wunde und betrachtete das frische Blut, das leicht rosa schimmerte. Ein funkeln stach aus ihren Augen. Sie schaut langsam zu Emil, Greg, Lukas und den anderen. „Ich hab es verstanden!“ Flüsterte sie. „Meine Schmerzen befriedigen mich nicht mehr!“ Langsam richtete sie sich gerade auf. „Ich brauche die Schmerzen der anderen!“ Sie lachte etwas, selbst erstaunt durch diese Kenntnis. Ihr Blick richtete sich noch einmal zu Marcell, der langsam aber sicher verblutete. Sein Atem war schwach und kaum zu bemerken. Dann, als sie endlich alle Informationen verarbeitet hatte, grinste sie breit. Ihre Stimme erhoben zu einem Lachen. Ein Lachen, das jedem eine Gänsehaut bescheren würde. Es war geprägt von Kälte, Frust und leid. Dann erhob sie ihren Arm und rammte ihr Messer in die Schulter von Emil. Dieser schrie kurz auf. Sie aber drückte das Messer tiefer hinein und bohrte leicht umher. Freudig und gespannt auf das Blut biss sie sich auf die Unterlippe. Sie riss das Messer nach vorne. Sie schaffte es nicht einfach, dass Messer so heraus zu reißen, da das Schlüsselbein im Weg war. Sie aber nahm das Messer wieder aus der Wunde und schlug ihm auf den Brustkorb. Sein Schreien hallte in dem Klassenzimmer wieder.
Endlich realisierte jemand die Situation. Chris, der wohl beste Freund von Kiara in dieser Klasse, rannte schnell heraus. Kiara entging dies nicht. Sie hatte jedoch keine Lust, irgendwen hinter her zu laufen, daher beschloss sie das weite zu Suchen. Sie stach ihr Messer in Noahs Herz und rannte dann hinaus. Ihr lachen halte hinter ihr her. Alles verstummte, wo sie hinkam. Sie schnappte sich ihr Fahrrad und fuhr schnell los.
Erst am Abend kam sie nach Hause. Doch nur, um sich etwas zu Essen zu holen. Sie schloss auf, doch was sie dort erwartete, versetzte ihr einen Schlag in den Magen. Denn, kaum hatte sie die Tür geöffnet, trat ihr Bruder in die Tür zum Treppenhaus. Er hatte ein Telefon in der Hand, dass er sich an sein Ohr drückte. „Ja! Sie ist es!“ Sagte er knapp und legte dann auf. „Wer war das?“ Fragte Kiara leicht verängstigt. Erik sah auf das Telefon, dann wieder zu seiner Schwester. „Es war eine Mitschülerin von dir, die sich Sorgen macht.“ Nicht ganz sicher, ob sie ihm glauben sollte, blieb sie dort stehen, wo sie war. Ihr Bruder ging wieder ins Wohnzimmer, als ob nie etwas war. Das Mädchen noch immer leicht verwirrt ging in ihr Zimmer. Schnell nahm sie einen Rucksack und ein paar Klamotten, die sie in diesen rein stopfte. Ein seltsames Gefühl sagte ihr, dass sie nicht hier bleiben konnte. Kaum, dass sie fertig war, lief sie schon wieder runter. In der Küche kramte sie nach einem Messer. Sie musste sich bewaffnen. Zudem hatte sie wieder Lust auf diesen Kick, den sie hatte, als sie die beiden aus ihrer Klasse tötete. Sie hatte schnell ein passendes gefunden. Als sie sich eine Regenfeste Jacke nehmen wollte, sah sie, dass ihre Geschwister, so wie ihre Mutter, im Wohnzimmer versammelt waren. „Was ist hier los?“ Fragte sie misstrauisch. Als ihre Schwester ansetzten wollte, etwas zu sagen, als ein leises Geräusch erklang. Kein zweifel! Es waren Sirenen! Kiara verstand, dass ihr Bruder die Polizei gerufen haben musste. Wieder kam Wut in ihr auf. „Ihr habt mich verraten?“ Schrie sie. „Es ist nur zu deinem Besten!“ Versicherte ihre Mutter. „Am Arsch!“ Fluchte sie und holte mit ihrem Messer aus. Ihr Bruder war wohl darauf vorbereitet gewesen, denn er zückte ein eigenes. Kiara, geschockt von dem Anblicks des Messers, hielt kurz inne. Sekunden, die entscheident waren! Ihr Bruder holte nach ihr aus und traf sie am Auge. Ihre Brille fiel zu Boden und ihr Auge fing an zu Bluten. Sauber hatte er einen Schnitt über ihr linkes Auge vollzogen. Die Wunde reichte bis tief in ihr Gesicht. Durch das Blut, dass sich in ihrem Auge verteilte, lief ihre Iris Blutrot an. Ebenso ihre Pupille. Sie war auf diesem Auge blind!
Eine Wut sammelte sich in ihr. Sie hörte, wie die Polizei vor ihrem Haus hielt und einige Türen zu geschlagen wurden. Gleich wären die Polizisten hier. Sie hob langsam ihre Brille auf und setzte sie wieder auf. Sie lächelte sanft, als sie wieder zu ihrem Bruder schaute. „Das war aber nicht nett!“ Stellte sie fest. Erik sah sie mit großen Augen an. Die Schwester von Kiara tat es ihm gleich. Die Blondine hielt Erik eine Hand entgegen. „Gib mir das Messer!“ Ihre Stimme war sanft, während das Blut über ihre Lippen floss. „Nein!“ Versuchte er mit starker Stimme zu sagen. Sie verkrafte sich etwas. „Gib es mir!“ Sie biss die Zähne zusammen. „Nein!“ Er wich einen Schritt zurück. Sie hob das eigene Messer. „Willst du es darauf anlegen, Bruderherz?“ Sie lachte leicht verrückt. „Deine Schmerzen würden mir eine Menge Freude bereiten!“ Er sah sie unverständlich an. „Was ist aus dir geworden?“ Sie umgriff stärker das Messer. „Was interessiert dich das? Das hat euch doch noch nie interessiert! Ich war euch doch immer egal!“ Sie stach ihr Messer in den Brustkorb ihres Bruders. „Wenn man überleben will, sollte man auf niemanden Vertrauen! Nur auf sich selbst!“ Sie nahm das Messer, was ihr Bruder noch hielt, dann fiel er zu Boden. „Warum tust du so etwas?“ Schrie ihre Schwester. Ihr rollten einige Tränen über die Wangen. Kiara schien dies nicht zu kümmern. „Du hast es eigentlich nicht verdient,von mir verschont zu werden! Aber da ich hier weg muss, hast du Glück!“ Sie ging zu der Hintertür des Hauses, die aus Glas war. Sie schlug mit beiden Messern dagegen, so dass das Glas zersplitterte. Sie rannte schnell hinaus. Sie lies ihr früheres Leben einfach hinter sich.
„Ich grüße sie zu den Nachrichten um Acht! Es wird ihnen sehr geraten, vorsichtig zu sein, da heute Mittag ein Schulmädchen erst zwei ihrer Mitschüler getötet hatte und dann ihren Bruder. Sie ist auf freien Fuß. Sie ist ungefähr ein Meter Fünfundsiebzig. Blonde Haare eine lilane Brille. Mit sich hat sie nur einen rosanen Rucksack mit schwarzen Blumen drauf. Sie ist auf dem linken Auge blind. Ihre eigentliche Augenfarbe ist blau-grau. Ihr linkes Auge ist allerdings rot angelaufen. Wenn sie jemanden sehen, der auf diese Beschreibung zu trifft, melden sie sich bitte umgehend bei der Polizei!“

Von Monstern

Er war tot, so viel war klar. Sie schaute in Panik von dem regungslosen Körper auf der Straße zu der eingedellten Haube ihres BMW´s. Sie war schon früher aus Schwierigkeiten herausgekommen, doch nichts in dieser Größenordnung. Dies schien nicht wie etwas, dass sie einfach ungeschehen machen konnte. Sie brütete über der gebrochenen Gestalt zu ihren Füßen. Er schien obdachlos zu sein, alte, speckige Kleidung, gräuliche Züge, - 

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Scheiße, sogar für eine Leiche sah er kränklich aus. Am Rand der Straße war ein Abflussgraben... nun, die Chancen standen gut, dass niemand ihn vermissen würde.

Es kostete nicht viel Kraft seine ausgemergelte Gestalt hineinzustoßen. Ihre kranke Erleichterung wurde jedoch jäh unterbrochen, als eine Hand sich um ihre Kehle schloss. Eine raue Stimme flüsterte ihr ins Ohr: "Nur, dass du es weißt, ich esse nur die, die versuchen einfach zu gehen, hätte dich gehen lassen, wenn du versucht hättest, zu helfen." Er brach ihr Genick, beinahe sanft, um ihr in die Augen zu sehen. "Wir sind beide Monster, meine Süße. Ich bin nur aufrichtiger dabei."

Die geheimnisvolle Decke



Traurig zog Sebastian seinen schweren Koffer die Treppe hinauf, die Stufen waren wackelig und er musste aufpassen, dass er nicht stolperte. Alles an diesem Haus war wackelig, berichtigte sich Sebastian. Dann erreichte er sein Zimmer. Es war winzig, mit einen kleinen Fenster aus dem er auf die Betonwand der Garage schauen konnte und einer wirklich hässlichen Tapete. Er hasste es genauso wie das ganze Haus. Warum konnten sie nicht wieder in Essen wohnen, in dem Haus ganz in der Nähe des Spielplatzes? Es hatte einen großen Garten, wo er immer mit seinem Vater Fußball gespielt hatte und sein Zimmer dort war ungefähr dreimal so groß wie hier gewesen. Er wollte wieder dorthin zurück, zu seinem Zimmer, zu seinen Freunden. Aber als sein Vater arbeitslos geworden war, mussten sie das Haus verkaufen und sich das Billigste suchen was sie finden konnten. Und das war eben diese Bruchbude hier in Wanne-Eickel gewesen. Alle taten so als wenn das Haus fast so hübsch wäre wie ihr altes, aber Sebastian merkte das die ganze Familie hier unglücklich war. Er nahm seinen leeren Koffer und ging den Flur entlang bis er die Tür zum Dachboden fand, öffnete die Luke, zog die Leiter herunter und wagte vorsichtig bepackt mit seinen Sachen den Aufstieg. Obwohl es unglaublich heiß dort oben war, stellte er doch begeistert fest, wie groß der Dachboden doch ist. Er war sich sicher, von nun an mehr Zeit hier oben zu verbringen. Der erste Schultag war eine Katastrophe.
Die neue Schule war schrecklich und seine Mitschüler ärgerten ihn, weil sein Vater arbeitslos war. Ihm wurde schon nach dem ersten Tag klar, dass er dort keine Freunde finden würde. Deshalb wurde der Dachboden für Sebastian Tag für Tag immer mehr zum Zufluchtsort und es machte ihm Spaß, dort zu spielen und jede Ecke zu erkunden. Eines Tages macht er es sich mal wieder auf dem Dachboden bequem, als er merkte, wie lose eins der Dielenbretter war. Vorsichtig hebelte er das Brett heraus und wollte es gerade wieder verkehrt herum einsetzen, als er sah, dass sich etwas darunter befand. Unter dem Dielenbrett war ein Geheimversteck. Vorsichtig nahm er das kleine Päckchen, dass sich darin befand heraus und legte es vor sich auf den Boden. Langsam wickelte er das Papier auf und war ein wenig enttäuscht, weil sich darin nur eine alte Decke befand. Sie war recht dünn und auf ihr glitzerten Tausende von silbernen und goldenen Fäden, aber er könnte sich vielleicht beim Lesen auf sie setzen und sich damit zudecken. Fortan benutzte er die Decke regelmäßig und fragte sich warum der ehemalige Besitzer sie so versteckt hatte.
Eines Nachmittags hörte er seine Mutter in der Küche und beschloss sie ein bisschen aufzumuntern. Sie wirkte in letzter Zeit immer sehr niedergeschlagen und Sebastian wusste, dass auch sie mit der Situation nicht glücklich war. Also ging er hinunter in die Küche und bevor er eintrat schwang er die Decke über seinen Kopf. Langsam schlich er auf Zehenspitzen in den Raum, bis er genau hinter seiner Mutter stand. Er wartete bis sie sich umdrehte und hoffte, dass er ihr einen gehörigen Schrecken einjagen konnte. Nach einer scheinbaren Ewigkeit drehte sich seine Mutter um und ging an Sebastian vorbei zum Tisch. Komisch, dachte er, sie musste mich doch gesehen haben. Damit sie ihn nicht wieder übersah stellte er sich genau vor den Tisch. Aber seine Mutter ging auf ihn zu, schaute ihm direkt ins Gesicht und ging dann links an ihm vorbei um den Tisch zu decken. Jetzt verstand er, seine Mutter wollte ihn ärgern und tat so als wenn sie ihn nicht sah, er war ja schließlich ein Gespenst. Als sie aber nach zehn Minuten das Spiel nicht auflöste, wurde er die Sache mulmig. Er beschloss sie anzusprechen und so das Ganze offiziell aufzulösen. „Hallo, Mama“, sagte Sebastian. Seine Mutter schaute vom Herd auf und in Richtung Tür „Gut, dass du kommst, du kannst mir beim Kochen helfen. Komm rein, ich bin in der Küche.“ Sebastian suchte im Gesicht seiner Mutter nach Anzeichen dafür, dass sie immer noch scherzte. Aber sie sah völlig ernst aus. Als sie sich wieder dem Herd zu wandte, zog er rasch die Decke vom Kopf und ließ sie zu Boden fallen. Seine Mutter schrie laut auf: „Mein Gott Sebastian, hast du mich erschreckt, wo kommst du denn so plötzlich her?“'
Als er später wieder in seinem Zimmer im Bett lag, grübelte er darüber nach, ob seine Mutter ihn nur ärgern wollte oder ob sie ihn wirklich nicht gesehen hatte. Er entwickelte einen Plan um ganz sicher zu gehen und schlief dann ein. Am nächsten Morgen stand er ganz früh auf und streifte sich die Decke über den Kopf. Als er hörte wie sein Vater sich der Tür näherte, stellte er sich mitten in den Türrahmen. Gespannt wartete Sebastian und einige Sekunden später öffneten sein Vater die Tür. Er schaute ins Zimmer und sah durch ihn durch. „Sebastian, aufstehen, du musst zur Schule.“ Dann drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand in Richtung Küche. Sebastian war so schockiert, dass er sich im ersten Augenblick gar nicht rührt konnte. Die Decke machte einen wirklich unsichtbar, auch wenn er es nicht glaubt konnte. Jetzt verstand er auch, warum sie so gut versteckt gewesen war. Vorsichtig faltete er sie zusammen und verstaute sie im Schrank. Während des Frühstücks und später in der Schule dachte er darüber nach, welche Möglichkeit sich ihm nun boten. Als erstes würde er seiner Schwester davon erzählen.
Als die Glocke endlich zum Schulschluss läutete, eilte er nach Hause um schnell zu ihr zu kommen. Lily saß in ihrem kleinen Zimmer direkt neben seinem, auf dem klapprigen Bett und las. Die verblasste rosa Tapete blätterte schon von der Wand und um die flackernde Glühbirne hatte sich ein Wasserfleck gebildet. Lily war tief ihn ihr Buch versunken und bemerkte ihn nicht. Sebastian musterte sie. Ihre kurzen rotblonden Haare standen in alle Richtungen ab. Der ausgeblichene grün-weiß gestreifte Pyjama hing schwabbelig an ihr herunter. Sie hatte dunkle Augenringe, denn in letzter Zeit schlief sie sehr schlecht. Sie hatte eine Erkältung und ging deswegen nicht zur Schule.
Ein Wunder, dass ich in dieser Bruchbude noch nicht krank geworden bin, grübelte Sebastian vor sich hin. Er stupste Lily an und sie schreckte hoch. „Basti, was willst du?“ Sebastian nahm ihr das Buch aus der Hand und legte es auf den Nachttisch, der gefährlich schwankte. „Was soll denn das?“ Sebastian setzte sich zu ihr aufs Bett, das unter dem Gewicht stöhnte, und begann zu erzählen: „Du kennst doch den Dachboden“, Lily nickte genervt, „stell dir vor, ich hab unter einem der Dielenbretter  eine alte Decke gefunden.“ Sie rollte mit den Augen: „Und das ist jetzt die tolle Neuigkeit?“ Sebastian hob einen Finger und fuhr fort: „Wie du vielleicht bemerkt hast, ist Mama nicht besonders gut darauf, deswegen habe ich mir die Decke übergestreift um sie damit aufzumuntern. Doch als ich vor ihr stand hat sie mich nicht gesehen. Ich hab es erst für ein Spiel von ihr gehalten, doch dann habe ich es heute morgen bei Papa ausprobiert. Auch er hat mich nicht gesehen. Diese Decke macht unsichtbar.“ Lily starrte ihn an, als wäre er nicht von dieser Welt. Dann fing sie lauthals an zu lachen. Sebastian schaute sie verständnislos an. „Ich meine das ernst. Ich kann es dir beweisen.“ Er holte die Decke aus seinem Schrank, stellte sich vor Lily und zog sie sich über den Kopf. Sebastian grinste bei dem Gedanken an ihr Gesicht. „Sebastian?“ Lily war aufgestanden, streckte die Hände aus und suchte nach ihm. Er musste sich das Lachen verkneifen. Als sie direkt neben ihm stand schnellte ihre Hand auf ihn zu und riss die Decke im hohen Bogen nach oben. „Bist du nicht zu langsam zu alt für so einen Unfug?“ Sie lachte wieder. „Mama und Papa haben sich bestimmt nur einen Spaß erlaubt.“ Sebastian riss die Decke wieder an sich und stürmte in sein Zimmer. Er knallte die Tür zu, so, dass die Wände wackelten, und warf sich schluchzend aufs knackende Bett. Sebastian hasste es, wenn seine große Schwester ihn nicht für voll nahm. Warum hat es nicht funktioniert? Haben sich seine Eltern wirklich nur einen Spaß erlaubt? Sein toller Fund war also nur eine alte muffige Decke. Er kroch unter sie und schloss die nassen Augen.
Als Sebastian verschlafen unter der Decke hervor schaute, dämmerte es. Er warf einen Blick auf seinen Wecker, der trotz des ganzen Rostes noch einwandfrei lief.
8:29 Uhr. Es war noch sehr früh am Morgen. Normalerweise schlief Sebastian samstags bis 11 Uhr. Er rollte sich wieder zusammen, doch konnte er nicht mehr einschlafen. Seufzend stand er auf. Alle anderen schliefen noch. Als er das Fenster öffnete wehte eine kühle Brise ins Zimmer und füllte seine Lungen mit frischer Luft.
Jetzt musste er überlegen. Die Geschichte mit der Decke ließ ihm keine Ruhe. Die ganze Nacht hatte er von ihr geträumt. Seine Eltern konnten ihn scheinbar nicht darunter sehen, denn sonst hätten sich seine Mutter und sein Vater bestimmt erschrocken. Doch Lily konnte ihn sehen, als er sich die Decke vor ihren Augen übergezogen hatte. Vielleicht lag es auch am Altersunterschied? Er setzte sich an seinen morschen Schreibtisch, nahm ein Stück Papier und einen Stift und begann aufzuschreiben, was er bisher hatte. Nach einer Ewigkeit und vielen Papierkugeln später schaute er sich seine Notizen an. Bei seiner Mutter und seinem Vater war er immer schon unter der Decke zu ihnen gekommen. Bei seiner Schwester hatte er sich die Decke vor ihren Augen übergezogen. Das müsste doch heißen, dass er, nur wenn ihn keiner sah, unsichtbar wurde. >So muss es sein,< dachte Sebastian, >dass muss ich gleich ausprobieren.< Er nahm die Decke, zog sie sich über den Kopf und schlich zum Zimmer seiner Schwester, ungeachtet dessen, das sie noch schlief. Sie lag im Bett und rasselte leicht beim Atmen. „Lily wach auf.“ Lily zog eine Schnute und drehte sich um. Sebastian rüttelte an ihrem Arm. Da öffnete sie die Augen. „Basti, es ist mitten in der Nacht.“ „Nein, es ist 9 Uhr“ Sie richtete sich auf. „Was soll das, ich versuche zu…“ Sie schaute sich im Zimmer um. „Sebastian?“ „Ja?“ Lily rollte mit den Augen. „Komm raus, ich habe keine Lust auf Versteckspiele.“ Basti konnte es nicht fassen. Seine Schwester schien durch ihn durch zu sehen. „Ich stehe doch genau vor dir.“ Lily wurde sauer. „Ich bin müde und habe jetzt echt keinen Bock auf deine schlechten Scherze!“ Jetzt war der Moment gekommen. Mit einem Ruck war die Decke runter. Sie stieß einen erstickten schrei aus und starrte mit weit aufgerissenen Augen ihren Bruder an. >Jetzt muss sie mir glauben<, dachte Sebastian stolz. Lilys Mund klappte ein paar mal auf und zu. Sie schien nach Worten zu suchen. Nach einer Weile hatte sie sich wieder etwas beruhigt. „Wie hast du das gemacht?“ „Ich sagte doch, die Decke macht unsichtbar, aber nur, wenn niemand sieht wie man sie sich über den Kopf streift.“ Lily fing an zu lächeln. Es klang unglaublich. Eine Decke die tatsächlich unsichtbar macht! „Das will ich auch ausprobieren.“ Sebastian war unsicher, ob er ihr die Decke wirklich geben sollte. Würde er sie von ihr wiederbekommen? Schließlich gab er ihr die Decke unter einer Bedingung: „Ich will sie direkt, nachdem du sie ausprobiert hast, wiederhaben.“ „Ist ja gut“, sagte Lily und nahm sie entgegen. Sebastian drehte sich um und wartete, dass seine Schwester sich die Decke über den Kopf zog. „Und?“ Er drehte sich um. Lily war nicht mehr zu sehen.
Den ganzen Tag über versteckten sie sich im Haus. Der Suchende hatte die Decke um, damit es spannender wurde. Nach einer Weile machte Lily den Vorschlag, dass derjenige, der sich versteckt, die Decke bekommt. „Aber dann finden wir uns ja nie!“ „Dann müssen wir eben Geräusche machen.“ „OK, aber wir verlassen nicht das Haus und ich fange an.“ Fröhlich versteckte er sich in einem leeren Küchenschrank und deckte sich mit der Decke zu. Ab und zu machte er leise „Buhu!“ damit Lily nicht verzweifelte. Er kicherte bei dem Gedanken, dass sie jetzt durchs Haus irrte und ihn suchte. Plötzlich öffnete sich die Schranktür und seine Mutter schaute hinein. Sebastian hielt die Luft an. Sie hatte ihm eigentlich verboten, sich hier zu verstecken. Ihr Blick wanderte einmal von links nach rechts, dann schloss sie mit einem „Mhmm“ die Tür. Sebastian atmete erleichtert auf. Für diesen kurzen Moment hatte er vergessen, dass man ihn nicht sehen konnte. Da hörte er wie jemand anderes in die Küche kam und alles abzusuchen schien. Das musste Lily sein. Er stieß wieder ein „Buhu“ aus. Schon öffnete sich die Schranktür wieder und Lily steckte ihren Kopf herein. Sie tatstete langsam den Innenraum ab bis sie einen Zipfel der Decke fühlte und daran zog. Da hockte Sebastian und grinste sie an! Sie mussten lachen. „Du hast dir ganz schön Zeit gelassen“, sagte Sebastian spöttisch. Lily nahm die Decke an sich, schaute sich kurz im Raum um und meinte: „Jetzt bin ich dran. Am besten zählst du bis 10 und kommst dann raus und suchst mich.“ Sebastian nickte. Er begann zu Zählen: „1, 2… 5, 6… 8, 9, 10!“ Dann krabbelte er aus dem Schrank und fing an zu suchen. Er lief durch die ganze Küche, dann durch den knarzenden Flur zum Schlafzimmer der Eltern. Ab und zu blieb er stehen und horchte. Er konnte Lily noch nicht hören. Aber auch als er oben in ihren Zimmern nach ihr suchte, konnte er sie nicht finden. Als letztes blieb ihm noch der Dachboden. Langsam kletterte er den Aufstieg nach oben. Dort angekommen lauschte er. Doch auch hier vernahm er keinen Laut von ihr. Es fing an, keinen Spaß mehr zu machen. Sebastian rief nach ihr, doch sie antwortete nicht. „Lily komm raus, du hast gewonnen, ich kann dich nicht finden.“ Er lief das komplette Haus noch einmal ab, doch sie antwortete nicht. Als er seine Mutter fragte wo Lily sei, meinte sie das Lily raus wollte, ein bisschen frische Luft schnappen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Sebastian konnte es nicht fassen. Lily hatte sich mit seinerDecke aus dem Staub gemacht! Wütend ging er in sein Zimmer und setzte sich aufs Bett. Dort machte er sich die ganze Zeit Gedanken, wie er sie anmeckern könnte.
Nach gut 2 Stunden kam Lily wieder. >Jetzt ist sie dran,< dachte Sebastian. Er stürmte in ihr Zimmer, wo sie schon auf dem Bett saß und las. „Warum bist du einfach mit meiner Decke abgehauen?!“ Sie schaute ihm empört an. „Deine Decke? War ja klar, dass du wieder alles für dich haben willst. Das ist wenn dann meine Decke. Ich bin immerhin die Ältere.“ Sebastian konnte es nicht fassen. Das hatte sie gerade nicht wirklich gesagt! „Ich habe sie gefunden, also gehört sie mir!“ Lily machte eine abweisende Handbewegung. „Geh endlich aus meinem Zimmer, bevor ich Papa rufe.“ Sebastian stürmte regelrecht zurück in sein Zimmer. Jetzt war das Maß endgültig voll! Er nahm sich ein Blatt und entwarf einen Racheplan. Lily sollte nicht ungestraft davon kommen!
Doch mitten im Planen hielt er inne. Was tat er da eigentlich? Nur, weil seine Schwester mit der Decke draußen war und ihn reingelegt hatte, musste er ihr doch nicht gleich etwas Schlimmes antun. Auch die Decke durfte sie mit benutzen, er hatte ihr davon ja schließlich nicht nur erzählt, damit sie ihn bewundert. Sebastian bekam ein schlechtes Gewissen. Er wollte zu Lily und sich entschuldigen. Als er ins Zimmer kam, lag sie auf dem Bett mit ihrem Buch. Sie sah ziemlich sauer aus. „Lily?“ „Was willst du?“ fauchte sie zurück. Doch als sie sein trauriges Gesicht sah, schaute sie runter. „Es tut mir Leid, dass ich dich angeschrien habe. Ich war sauer, weil du dich mit der Decke einfach aus dem Staub gemacht hast.“ „Mir tut es auch Leid. Ich hätte dir sagen sollen, dass ich mit der Decke nach draußen wollte.“ Die beiden fielen sich um den Hals. „Also gibst du mir die Decke zurück?“ Ihre Miene wurde wieder düster. „Soll das heißen, dass du sie immer noch für dich beanspruchen willst?“ Sebastian wollte schon kontern, als er an seinen Racheplan dachte. Sie stritten sich wegen der Decke. Nur weil sie einer besitzen und der andere das nicht einsehen wollte. „Warte, so kann es nicht weiter gehen. Vielleicht sollten wir sie zurück bringen. Ich will mich nicht mit dir streiten.“ Lily überlegte. Sebastian hatte Recht. Die Decke war der einzige Grund, warum sie stritten. Sie nickte zaghaft. Sie holte die Decke unter ihrem Schrank hervor und zusammen gingen sie auf den Dachboden. Sebastian musste nicht lange suchen um die Stelle wieder zu finden, wo er die Decke gefunden hatte. „Aber was ist, wenn einer von uns sie sich wiederholt? Immerhin kann sie unsichtbar machen.“ Das war natürlich ein Argument. Doch Sebastian war zuversichtlich: „Ich glaube kaum, dass einer von uns das lange vor dem anderen geheim halten könnte.“ Mit diesen Worten holte er das Papier, in dem die Decke eingewickelt war, aus dem Geheimversteck. „Basti schau, auf dem Papier steht etwas!“ Sebastian musterte das Papier und tatsächlich: Auf der Innenseite stand etwas in einer krakeligen Schrift. Warum war ihm das nicht beim Öffnen aufgefallen? Seine Schwester nahm das Schriftstück in die Hand und begann zu entziffern:
An den Finder: Diese Decke hat nur Unglück über uns gebracht. Wir haben uns zerstritten, weil niemand sie im Besitz des Anderen sehen wollte. Also nimm dich in Acht, wenn du jemandem von ihr erzählst, denn sonst geht es dir genauso wie mir.“
Lily und Sebastian schauten beide bedrückt zu Boden. Hätte er das von Anfang an gewusst, dann hätte er den Streit vermeiden können. „Vielleicht wäre es besser, wenn sich niemand mehr mit der Decke plagen muss.“ Sebastian schaute Sie fragend an. „Wie meinst du das?“ Sie nahm die Decke und ging nach unten. Sebastian folgte ihr zu Ihrem Vater. „Papa? Können wir ein Feuer im Garten entfachen? So wie früher in einer löcherigen Tonne?“ Da begriff Sebastian was sie vorhatte. Der Vater schaute die beiden stirnrunzelnd an, dann lächelte er. „Warum eigentlich nicht?“ Sie versammelten sich im kleinen Graten und der Vater holte ein paar alte Holzreste. „Lily, pass kurz auf das Feuer auf, ich hole etwas zum Nachlegen.“ Jetzt oder nie. Sebastian holte schnell die Decke unter der morschen Gartenbank hervor und Lily warf sie in die Tonne. Sie brannte so schnell, dass ihr Vater nichts bemerkte.
Nachdem das Feuer am Abend ausgebrannt war, gingen sie zu Bett. Sebastian schlief bei Lily. Beide waren froh, dass alles vorbei war. Am nächsten Morgen wurden sie durch ein Geräusch geweckt. Sebastian stand auf und tapste zum Fenster. Als er hinaus sah, wurde er kreidebleich „Was ist denn los?“ „Da wühlt jemand in unsere Tonne.“ Er klang fast heiser. „Na und? Mehr als Asche ist da nicht drin.“ Lily kam zu ihm und sofort verstand sie: Draußen an der Metalltonne stand ein alter Mann in zerrissenen Sachen und in seiner Hand hielt er die Decke.

Mittwoch, 2. Juli 2014

Die Hexe im Keller

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12.05.14, 18:00 Uhr
Heute berichte ich euch von einem Ereignis aus meiner Kindheit. Ich möchte mir das schon sehr lange von der Seele schreiben, aber ich hatte Angst und war voller Selbstzweifel... Jetzt habe ich aber Gewissheit.
Doch Erstmal ein paar Zeilen zu mir:
Ich heiße Lucas Müller, bin jetzt 26, und studiere Informatik. Soweit habe ich mein Leben im Griff, aber dieses Ereignis lässt mich seit meiner Kindheit nicht mehr los. Wo fange ich an? Am besten erzähle ich euch die Geschichte von Anfang an.


1988 - 1990
Ich war elf, glaube ich.
Damals wohnte ich noch mit meinen Eltern in Hamburg, in einem Plattenbau. In dem Haus gab es auch ein weit verzweigtes Kellersystem. Da es jedes Wochenende in der Umgebung einen Flohmarkt gab, war ich öfters mit meinem besten Freund Marcel dort unten. Wir haben im Keller nach brauchbaren Dingen gesucht, deren Verkauf uns etwas Geld einbringen sollte.
Ihr kennt das bestimmt, jede Wohnung hatte ihre eigene Kabine, die mit Holzbrettern gesichert war, und an den Gang angrenzte. Dann gab es noch den alten Bereich, der schon länger nicht mehr renoviert worden war. Hier staute sich alles Mögliche an, hauptsächlich Überbleibsel von den Vorbesitzern. Das Holz an manchen Kabinen war schon morsch, und wir drückten es ein, und machten uns über die Beute her.
Meistens war es leider nur wertloser Müll, alte Sessel, kaputte Schränke. Ab und zu stießen wir aber auch auf etwas Wertvolles. Einen CD-Player, Schmuck, und einmal fand ich einen alten Gehstock. Ich hielt ihn fasziniert in den Händen, drehte ihn, und schaute mir jedes Detail an. Ich fühlte mich wie Indiana Jones, der einen Schatz entdeckt hatte.
Der Stiel war aus Holz und schon etwas spröde. Das Besondere aber war der Griff. Er war aus Blei oder Kupfer gegossen, und stellte einen seltsamen Hundekopf dar. Der Kopf war sehr detailliert gestaltet, und ich konnte ihn keiner Rasse zuordnen. Er erinnerte an einen Spitz, hatte aber eine deutlich längere Schnauze.
Je länger ich diesen Kopf betrachtete, desto unwohler fühlte ich mich. Er schlug mich in seinen Bann.
Ich erschrak als auf einmal Marcel antrabte. Er war im Nebenabteil gewesen, und hatte eine ganze Tüte voller Plunder dabei. Es dunkelte schon, und wir begannen uns zu gruseln. Also machten wir uns mit unserer Ausbeute auf den Rückweg, den Stock ließ ich da.
Marcel hatte eine blühende Fantasie, deshalb war ich nicht verwundert, als er mir ein paar Tage später diese Geschichte erzählte. Ihm zufolge kursiert eine Legende in Jugendkreisen. Sie berichtet von einer Hexe, die in Kellern haust und Kinder raubt. „Sie schaut dich ganz genau an, und wenn du ihr gefällst, dann nimmt sie dich mit nach unten!", erzählte Marcel mit einem süffisanten Grinsen. „Diese armen Teufel werden dann nie wieder gesehen."
Natürlich glaubte ich ihm nicht, und statt Bewunderung handelte er sich eine Kopfnuss ein.
Als meine Eltern sich ein neues Sofa kauften, mussten wir das alte in den Keller tragen. Wir waren bei der Kellertür angelangt, und mir fiel diese Geschichte von Marcel wieder ein. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt, ich bekam Angst.
Jedoch passierte nichts besonderes.
Ich schloss gerade unsere Kabine ab, und wollte meinen Eltern hinterher, als ich etwas hörte. Tack, tack. Wie klopfen auf Holz, es näherte sich. Viermal klopfte es, dann war ich bei den Stufen, und rannte nach oben.
In der folgenden Nacht konnte ich nur mit Licht schlafen. Ich träumte auch schlecht, erinnerte mich am nächsten Morgen aber an nichts mehr. Die Träume hörten nicht auf, und ich wusste am nächsten Tag nie, was ich geträumt hatte, nur dass es ein Albtraum war.
Als ich Marcel wieder traf, erzählte ich ihm nichts von den Ereignissen. Ich dachte mir, das im Keller sei Einbildung gewesen, oder vielleicht eine Ratte. Außerdem hielt er mich so schon für einen Angsthasen.
Wir spielten gerade unser Lieblingsspiel, Ninja. Dazu hatten wir uns beide einen Schal übergeworfen, und rannten durch den Hof, als etwas meine Aufmerksamkeit erregte. Ich war mitten im Sprung, der Anblick brachte mich aber so aus der Fassung, dass ich nicht abrollte, und mit dem Knie auf den Stein knallte. Sobald der Schmerz erträglich wurde, schaute ich genauer hin, und Entsetzen überkam mich.
In einer Ecke, halb hinter einer Kiste verborgen, lehnte der Gehstock aus dem Keller.
Ich kann nicht beschreiben, welche Angst dieser Anblick in mir hervorgerufen hat, noch wusste ich sie mir zu erklären.
Wieder träumte ich von diesen scheußlichen Dingen, nur diesmal konnte ich mich beim Aufwachen erinnern. Ein Gesicht blitzte immer wieder in meinem Gedächtnis auf. Nicht wie im Traum, ich konnte es fast berühren.
Es war das Gesicht der Hexe. Sie stand am Eingang des Kellers, in ihrer Rechten hielt sie den Gehstock. Ihre Augen waren schwarz, und der Blick bohrte sich tief in mich hinein. Sie lachte, ein meckerndes Lachen, das immer dunkler und dunkler wurde. Ihre gelben Zähne waren ungewöhnlich lang, und sie Schnappte mit ihnen zusammen, wieder und wieder, während ihr Blick stets auf mich gerichtet war. Dieses Geräusch brachte mich fast um den Verstand.
Dann hob sie den Stock, und deutete auf mich. "Ich habe dich gefunden, Lucas. Oh ja, du bist bald bei mir. Hier unten gibt es alles was du willst, und so viele Kinder warten auf dich!" Das letzte, das ich sah, waren ihre Augen. Wie zwei dunkle Schächte die mich verschlangen.
Dann wachte ich auf. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, und ich hörte in Gedanken noch das Schnappen ihrer Zähne. Doch die Träume hörten plötzlich auf, und mit der Zeit begann ich wieder ruhiger zu schlafen. So beschloss ich keinem davon zu berichten, aber in den Keller ging ich nie wieder.
Wir spielten noch öfters in unserem Hof, ich schaute mich nach dem Gehstock um, aber er blieb verschwunden.
Einmal waren wir so sehr ins Basketball spielen vertieft, dass wir die Zeit vergaßen. Ich behielt den Eingang zum Keller, auf der anderen Seite des Hofes, ständig im Auge, und kam mir dabei selbst schon kindisch vor. Als es fast dunkel war, packten wir unsere Sachen, und verabschiedeten uns gerade, als mein Blick noch einmal den Keller streifte - mir stockte der Atem.
Die Tür stand plötzlich offen! Ich schaute in die Schwärze des Eingangs, konnte jedoch nichts erkennen. Alles sträubte sich in mir, doch ich näherte mich ein paar Schritte, und blickte gebannt in die Dunkelheit. Marcel bemerkte meine Erregung, und fragte mich was los sei.
Den Blick noch auf den Keller gerichtet, begann ich ihm stockend von den Ereignissen zu erzählen, die sich seit seiner Geschichte zugetragen haben. Anfangs lachte er noch, sah jedoch schnell wie ernst es mir war, und wurde nachdenklich.
„Tut mir leid dass dich das so mitgenommen hat, Lucas. Aber ich kann dich beruhigen Kumpel. Die Geschichte habe ich nirgendwo aufgeschnappt, ich habe sie mir nur ausgedacht!" Mit einem mitleidigen Blick klopfte er mir auf den Rücken.
Ein Stein fiel mir vom Herzen.
Dann war es also nur meine Fantasie, die mir einen Streich gespielt hatte. Und der Stock? Wahrscheinlich gehörte er irgend einer alten Dame aus dem Haus, und sie hatte ihn nur wieder rausgekramt.
Über meine Spinnereien lächelnd, drehten wir dem Keller den Rücken zu, auch wenn ich immer noch ein flaues Gefühl im Magen hatte. Wir waren bereits halb über den Hof, als plötzlich ein Geräusch zu hören war. Tack, tack.
Mir stellten sich die Nackenhaare auf.
Tack, tack. Ich war wie gelähmt, Kälte schlich sich an meinen Beinen hoch.
Tack, tack - das war keine Einbildung!
Wir wechselten einen Blick, und drehten uns gleichzeitig um. Doch es war nichts zu sehen, nur dieses Klopfen.
Marcel spähte angestrengt in die Kelleröffnung. Er schlich sich vorwärts, kam dem Geländer näher und näher. Doch nichts geschah.
Dann wurde es still. Er war gerade dabei sich wieder umzudrehen, ein freches Grinsen auf den Lippen, als sich von unten plötzlich etwas erhob.
Und all meine Albträume erfüllten sich. Da war sie, die Hexe. Mit ihren schrecklichen Händen griff sie nach Marcel, ihre klauenartigen Nägel gruben sich tief in sein Fleisch. Sie biss ihn in den Hals, dann riss sie ihn über das Geländer. Der Stock mit dem Hundekopf ging auf und nieder, sie schlug auf Marcel ein, er kreischte in Todesangst.
Dann packte das Ungeheuer ihn bei den Haaren, und riss ihn mit sich in die Dunkelheit.
Ich war gelähmt, konnte mich nicht bewegen. Mein Verstand drohte zu zerbrechen. Ich sah noch Marcels blonde Haare, die sich etwas von der Dunkelheit abhoben, wie sie schneller und schneller in dem Tunnel verschwanden, und dann von der Schwärze verschlungen wurden. Ihr meckerndes Gelächter, vermischt mit Marcels Schreien, wurde von den Wänden verstärkt, und hallte in inferalem Echo zu mir hoch.
Dann wurde es still, Grabesstille. Keine Vögel, keine Autos waren zu hören. So als wäre ich in eine andere Dimension geraten, abgekapselt von der Welt, allein mit diesem Monster.
Wie lange ich dort stand weiß ich nicht. Ich hatte Todesangst, wollte laufen, nur weg hier. Oh Gott, Marcel war bei ihr, dort unten in der Tiefe. Ich konnte ihm nicht helfen. Nichts auf der Welt hätte mich in diesen Keller gebracht, in diese Schwärze, die mehr und mehr einem Schlund der Hölle zu gleichen schien.
Plötzlich ein langgezogener Ton. Er kam aus dem Keller, ein dunkles Gurgeln, das immer lauter wurde. Sie kam, rasend schnell. Schon war sie bei der Treppe. Dieser grässliche Stock schlug im Takt ihrer Schritte auf den Boden auf - Tack, tack.
Sie bannte mich mit ihrem Blick, zwei dunkle Tunnel in die ich zu fallen drohte. Der Anblick war grotesk. Der alte, ausgedörrte Körper, ihr Katzenbuckel und die zitternden Hände verrenkten sich in unmenschlicher Weise, um nach mir zu greifen. Die Hexe war über mir, ich konnte ihre Warzen sehen, ihr fauliger Atem schlug mir entgegen. Sie ergriff meine Haare, ihre Nägel kratzten mir über die Haut.
Ekel übermannte mich - ich riss mich von ihrem Blick los, der Bann war gebrochen. Dann stieß ich sie weg, mit aller Kraft die ich noch aufbieten konnte, und rannte um mein Leben.
Ich rannte bis mir die Venen brannten, und mein Herz sich anfühlte als würde es gleich platzen.
Als ich mich umdrehte, war sie weg. Marcel aber blieb auch verschwunden.


12.05.14, 01:46 Uhr
Und seitdem bin ich nicht mehr in Keller gegangen, kein einziges mal. Vielleicht versteht ihr jetzt, was ich hinter mir habe. Ich sah sie nie wieder, nur manchmal träumte ich noch von schlimmen Dingen. Doch ich konnte mich im Nachhinein nie daran erinnern, und dafür war ich dankbar.
Aber in letzter Zeit haben sich die Träume gehäuft, und bruchstückhaft blitzen Bilder auf, in dunklen Ecken meines Geistes bilden sich Erinnerungen, die ich mir selbst nicht eingestehen will. Ich träume auch von Marcel. Er ist dort unten, in tiefster Schwärze, und schreit nach mir.
14.05.14, 19:15 Uhr
Morgen gehe ich runter.
Das Zugticket habe ich bereits gekauft, jetzt gibt es nichts mehr, das mich hält. Ich weiß nicht was mich erwartet, und ja, ich habe schreckliche Angst. Seit ich mich wieder an die Träume erinnere, geht es bergab. Ich sehe Dinge, höre Stimmen, zweifle an mir selbst. Ich halte das nicht mehr aus.
Es wird Zeit mich dem Stellen, ein für alle mal reinen Tisch zu machen.
Da, ich höre Marcel rufen... Morgen ist alles vorbei. Falls ich wieder rauskomme, werde ich euch von den Geschehnissen berichten.
Ansonsten ist das mein letzter Eintrag... Lebt wohl

Dienstag, 1. Juli 2014

Säure

Vor drei Tagen bekam ich Pokémon Diamant von einem engen Freund zum Geburtstag geschenkt. Es war nagelneu und wurde nie geöffnet. Aufgeregt legte ich das Spiel ein, sobald ich Zuhause war. Seltsamerweise gab es bereits einen Spielstand. Der Trainer hieß Louis und hatte bereits alle Orden und Pokémon gesammelt. Neugierig lud ich den Spielstand und wurde mit dem Anblick eines scheinbar normalen Spiels konfrontiert.
Er hatte ein Team, zusammengesetzt aus vier Nebulaks und zwei Karpadors. Die Nebulaks hießen alle "Desire" und die beiden Karpadors hießen "Karpe Diem". Ich lachte ein wenig über den absichtlichen Schreibfehler bei Carpe Diem und ging ins Gras, um die Pokémon zu testen.
Obwohl sie nicht an der Spitze der Gruppe waren, kam einer der Karpadors zuerst raus. Das Spiel verkündete stolz: "Karpe Diem will kämpfen!" Ich seufzte und drückte Kampf. Zu meiner Überraschung kannte das Karpador die Attacken Säure, Säurepanzer und Säurespeier, sowie den üblichen Platscher. Das wunderte mich ein wenig, weil ich wusste, dass Säurespeier bis zur fünften Generation nicht existierte, aber Diamant war ein Spiel der vierten Generation und dann kannte ausgerechnet ein Karpador diese Attacke.
Ich hätte das Spiel zurück geben sollen, aber ich war zu neugierig um meinen Freund zu zwingen, das Spiel zurückzunehmen. Das Spiel ging ohne mich weiter, das Karpador setzte Säurespeier gegen das arme, kleine Volbeat ein. Ich legte das Spiel ab und starrte es an, als es angekündigte: "Karpe Diem hat Säurespeier verwendet! Volbeat wurde schwer verbrannt!"
Ich sah, dass eine ganze Hälfte seines Körpers verbrannt und stellenweise ganz geschmolzen war. "Karpe Diem will essen! Lassen Sie es?" Ich tippte wütend Nein, aber das Spiel reagierte nicht. Wiederwillig tippte ich ja.
Man sah eine Animation, in der Karpador auf das verletzte Volbeat sprang und es auffraß. Verängstigt rief ich meinen Freund. Er war innerhalb von ein paar Minuten da und sagte: 
"Es gibt nur eins das man mit so einem Spielmodul machen kann." Dann riss er mir das Spiel aus der Hand, schob es sich in den Mund, zerbiss es mit den Zähnen und Schluckte es runter.
"Ruf mich an, wenn sowas wieder passiert."

Der Tag an dem Musik tötete

Ich mähte meinen Rasen. Haha… das hört sich wie ein ganz normaler Tag an, dachte ich. Ich wünschte, es wäre so ein Tag gewesen. Ich mähte den Rasen, hatte meinen auf meinem iPod Musik laufen und es tat gut, meine Lieblingssongs zu hören. Aber dann passierte etwas... das normalerweise nicht passiert. Ich hörte einen seltsamen Beat durch die Kopfhörer. Es war einer, den ich nie zuvor gehört hatte, was komisch war, da der iPod neu war und ich noch nicht sehr viele Songs darauf hatte. Aber dieser war trotzdem da. Der Song war seltsam wie kein anderer, den ich vorher gehört hatte. Es schien eine Art Mix aus Dubstep und Heavy Metal zu sein. Und dann kamen die Wörter. Diese Wörter... Die verstörendsten Worte, die ich in meinem ganzen Leben gehört hatte. Ich war kurz davor, mich zu übergeben. Sie sprachen über... sie sprachen über meinen… Tod. Und fürchterlich dazu. Jede Beschreibung war vom grausamsten und verstörendsten Tod, den ich mir vorstellen konnte, bis ich den nächsten Vers hörte, der noch schlimmer war. Wie meine Augen von einem Serienkiller ausgerissen wurden, meine Glieder entfernt wurden, während ich gefesselt war, wie ich als Sklave gehalten wurde und bis zum Tod vergewaltigt wurde. Es war schrecklich. Ich riss meine Kopfhörer aus den Ohren, zog den iPod aus meiner Tasche und entsperrte ihn. Ich ging zu „Meine Musik“ und sah mir den Song an, der lief. Es gab kein Album Cover. Keine Band. Keinen Titel. Nur die Leiste, die die Länge anzeigt und wie weit man war. Nun, diese zeigt an beiden Enden 0:00, aber der kleine Punkt steckte am Anfang fest. Ich konnte immer noch hören, wie der Song aus den Kopfhörern kam. Ich zog die Hörer aus dem iPod und der Song begann aus den Lautsprechern zu tönen. Ich versuchte, den Song zu pausieren, aber es funktionierte nicht. Nichts passierte. Ich wollte den iPod ausschalten, aber das klappte ebenso wenig. Der Song wollte einfach nicht mehr aufhören. Also rannte ich in meine Garage, holte einen Hammer aus der Werkzeugkiste und zerschlug den iPod zu Staub. Endlich endete der Song. Aber er lief weiterhin durch meine Gedanken und, egal was ich tat, ich konnte ihn nicht vergessen. Ich konnte mich an jedes einzelne Wort erinnern. Als ich ins Bett ging, bereitete ich mich auf eine schlaflose Nacht vor, doch zu meiner eigenen Überraschung versank ich bald im Schlaf. Ich wünschte, ich wäre nicht eingeschlafen. Ich träumte die ganze Nacht von dem Song und allen Dingen, die er beschrieb. Es war die schlimmste Nacht meines Lebens, aber ich schien nicht aufwachen zu können. Ich steckte im Traum fest. Dann, endlich, am Mittag, wachte ich auf, weinend in Schweiß getränkt. Diese Träume waren die lebhaftesten, die ich je hatte. Ich brauchte eine Stunde, um aus dem Bett und in die Dusche zu kommen, aber ich schaffte es. Nach der Dusche fühlte ich mich ein bisschen besser und ich entschied, in die Stadt zu fahren. Ich kam nach 20 Minuten in New York an und fuhr zur Grand Central Station. Ich weiß nicht, wieso, ich glaube, ich dachte, dass die Geschäftigkeit mir helfen könnte, den Song aus meinem Kopf zu kriegen. Ich saß eine Weile auf einer Bank und wanderte dann ein wenig herum. Dann verschlechterten sich die Dinge. Als ich so herumlief, hörte ich jemanden summen. Und dann wurde mir klar, welcher Song da gesummt wurde. Es war exakt der Song, den ich am Vortag gehört hatte. Dann wurde aus dem Summen Singen und dieser schreckliche Text ergoss sich in meinen Kopf. Ich dreht mich nach rechts, wo der Klang herzukommen schien. Meine Augen blieben hängen an einem Mann, der, mit dem Gesicht zur Wand, diesen grauenhaften Song sang. Sobald ich ihn an sah, drehte er sich zu mir und sah mir direkt in dir Augen. Seine Augen waren leer, doch sein Mund bog sich zu einem bösen Lächeln. Ich war vor Angst erstarrt. Er griff mit der Hand in seine Tasche und zog eine Pistole heraus. Endlich bewegten sich meine Beine. Ich rannte ein paar Schritte und rutschte den Flur hinunter, als er den Abzug drückte. Die Patrone war über mir und schaffte es irgendwie, niemanden zu treffen und traf die Wand auf der anderen Seite des Raumes. Massenpanik brach aus. Ich wurde von den Flutwellen von unschuldigen Umstehenden weggetragen, konnte aber sehen, wie Sicherheitsbeamte den Mann niederstießen. Ich ließ die Schockwelle mich hinaustragen, rechtzeitig, um die Polizei kommen zu sehen. Ich glitt aus der Verwirrung und rannte den Bürgersteig entlang, zum Parkplatz, auf dem immer noch mein Auto stand. Ich erreichte mein Auto und sprang hinein, rammte den Schlüssel in die Zündung und drehte ihn. Ich raste nach Hause, verschloss und verrammelte alle Türen und Fenster, nahm meine AR-15 aus dem Gewehrschrank und setzte mich ins Wohnzimmer. Ich saß so die ganze Nacht dort, zu verstört, um mich zu bewegen. Aber der nächste Tag war ein Montag und ich hatte einen Job. Ich war ein Tipper in einem kleinen Büro, aber es war dennoch ein Job. Ich duschte mich nicht oder putzte mir die Zähne oder irgendwas derartiges. Ich stieg einfach in mein Auto und fuhr los. Ich kam am Bürogebäude an, mit der AR-15 unter dem Sitz und gewaltiger Furcht in meinem Herzen. Ich schleppte mich hinein und versank in dem Stuhl in meiner Kabine. Ich loggte mich gerade in meinen Computer ein, als ich merkte, dass etwas nicht stimmte. Es gab keine Geräusche. Kein Tippen. Kein Gerede. Kein Piepen der Drucker. Stille. Und dann passierte, das Schlimmste, das kommen konnte. Die Lichter gingen aus. Stille und Dunkelheit. Ich saß in purer Angst da und fürchtete jeden Gedanken, da ich wusste, was nun passieren würde. Der Gesang begann. Er schien aus allen Ecken des Büros zu kommen. Dieses grauenhafte Lied. Und es wurde von einer Menge Leute gesungen. Es hätte schön geklungen, wenn die Worte nicht so scheußlich gewesen wären. Ich kroch aus meiner Kabine und in die nächste den Gang hinunter, schlängelte mich unter den Schreibtisch gegen die Wand am Eingang und bereitete mich auf das Schlimmste vor. Der Gesang bewegte sich näher und im ganzen Büro herum. Sie suchten nach mir. Ich wusste es. Sie suchten mich, um mich umzubringen. Irgendwie musste das Lied den Verstand von allen infiziert haben und ich war jetzt das Opfer irgendeiner kranken Jagd. Ich hörte eine einzelne Stimme lauter werden, näher kommen. Ich sah zwei Schuhe die Zelle betreten, dann drehten sie sich um und gingen wieder raus. Sie suchten in jedem kleinen Büro nach mir. Und dann, als ich dachte, dass es nicht schlimmer werden könnte, hörte die Musik auf. Es war irgendwie noch schlimmer als das Singen, weil ich wusste, dass dort Massen von Leuten nach mir suchten, um mich in Stücke zu reißen. Ich kroch aus meiner Zelle und auf die Tür des Büros zu. Ich war unerträglich langsam, aber ich machte Fortschritt. Als ich fast bei der Tür war, ging das Licht an und eine Gruppe von Menschen stand einem Halbkreis auf der anderen Seite der Tür. Und diese Leute waren schlimmer als der Mann vor zwei Tagen. Die Augen von diesen Menschen waren komplett leer. Nur das Weiße in ihren Augen war zu sehen. Und sie alle hatten das gleiche dämonische Grinsen auf den Lippen, wie der Mann zuvor. Ich stand auf und schoss aus der Tür, mit eilenden Schritten hinter mir. Ich raste den Gang hinunter und schlug auf den Knopf zum Aufzug. Gott sei Dank war der Aufzug schon auf meinem Stockwerk. Ich sprang hinein, drückte Lobby und hämmerte den Tür-schließen-Knopf. Aber es hetzten mich keine hastigen Schritte mehr. Ich schaute auf, als sich die Aufzugtüren schlossen und sah alle meine dämonischen Mitarbeiter mit diesem teuflischen Grinsen im Korridor stehen, mit Schaum am Mund starrten sie mich einfach nur an. Ich brachte mein Auto an seine Grenzen auf dem Weg nach Hause, mit meiner AR-15 auf dem Schoß und erschöpft von all der Energie. Ich schleppte mich ins Haus, verbarrikadierte wieder alle Türen und Fenster und überlegte in der Küche stehend, was ich als nächstes tun sollte. Ich holte ein Kissen und ein paar Decken und ging die Treppe runter. Ich schloss die Tür oben an der Treppe ab und tat das gleiche mit der Tür am unteren Ende der Treppe. Dann ging ich ins Bad und ließ mich in der Badewanne zum schlafen nieder. Ich wachte ein paar Stunden später auf und entschied, den Fernseher anzumachen, vielleicht, um mich ein wenig abzulenken. Es liefen grade die Nachrichten und ich ließ die Fernbedienung fallen. Die Nachrichtensprecher saßen, starrten in die Kamera und sangen. Es schien, dass sie, sobald mein Fernseher eingeschaltet war, lauter sangen und sich das Teuflische in ihrem verzogenen Grinsen intensivierte. Ihre Augen folgten meinen Bewegungen. Dann zeigten sie ein Bild meines Hauses, umstellt von Menschen und dieses schreckliche Lied ging von der Horde aus. Ich schaltete den Fernseher ab und hörte oben ein Fenster splittern. Ich hörte stampfende Schritte sich ihren Weg zu meinem Untergeschoss suchen. Ich hörte, wie Äxte das Holz spalteten und die Tür endlich den Weg freigab. Als ich hörte, wie sie ihren Weg zur unteren Tür gingen, war ich erstaunlich ruhig. Ich begann zu summen, dann zu singen. Das Hämmern an der Tür fing an, doch ich fürchtete mich nicht. Ich hatte schon den Lauf meiner Pistole im Mund, als mir klar wurde, welches Lied ich sang.