Mittwoch, 2. Juli 2014

Die Hexe im Keller

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12.05.14, 18:00 Uhr
Heute berichte ich euch von einem Ereignis aus meiner Kindheit. Ich möchte mir das schon sehr lange von der Seele schreiben, aber ich hatte Angst und war voller Selbstzweifel... Jetzt habe ich aber Gewissheit.
Doch Erstmal ein paar Zeilen zu mir:
Ich heiße Lucas Müller, bin jetzt 26, und studiere Informatik. Soweit habe ich mein Leben im Griff, aber dieses Ereignis lässt mich seit meiner Kindheit nicht mehr los. Wo fange ich an? Am besten erzähle ich euch die Geschichte von Anfang an.


1988 - 1990
Ich war elf, glaube ich.
Damals wohnte ich noch mit meinen Eltern in Hamburg, in einem Plattenbau. In dem Haus gab es auch ein weit verzweigtes Kellersystem. Da es jedes Wochenende in der Umgebung einen Flohmarkt gab, war ich öfters mit meinem besten Freund Marcel dort unten. Wir haben im Keller nach brauchbaren Dingen gesucht, deren Verkauf uns etwas Geld einbringen sollte.
Ihr kennt das bestimmt, jede Wohnung hatte ihre eigene Kabine, die mit Holzbrettern gesichert war, und an den Gang angrenzte. Dann gab es noch den alten Bereich, der schon länger nicht mehr renoviert worden war. Hier staute sich alles Mögliche an, hauptsächlich Überbleibsel von den Vorbesitzern. Das Holz an manchen Kabinen war schon morsch, und wir drückten es ein, und machten uns über die Beute her.
Meistens war es leider nur wertloser Müll, alte Sessel, kaputte Schränke. Ab und zu stießen wir aber auch auf etwas Wertvolles. Einen CD-Player, Schmuck, und einmal fand ich einen alten Gehstock. Ich hielt ihn fasziniert in den Händen, drehte ihn, und schaute mir jedes Detail an. Ich fühlte mich wie Indiana Jones, der einen Schatz entdeckt hatte.
Der Stiel war aus Holz und schon etwas spröde. Das Besondere aber war der Griff. Er war aus Blei oder Kupfer gegossen, und stellte einen seltsamen Hundekopf dar. Der Kopf war sehr detailliert gestaltet, und ich konnte ihn keiner Rasse zuordnen. Er erinnerte an einen Spitz, hatte aber eine deutlich längere Schnauze.
Je länger ich diesen Kopf betrachtete, desto unwohler fühlte ich mich. Er schlug mich in seinen Bann.
Ich erschrak als auf einmal Marcel antrabte. Er war im Nebenabteil gewesen, und hatte eine ganze Tüte voller Plunder dabei. Es dunkelte schon, und wir begannen uns zu gruseln. Also machten wir uns mit unserer Ausbeute auf den Rückweg, den Stock ließ ich da.
Marcel hatte eine blühende Fantasie, deshalb war ich nicht verwundert, als er mir ein paar Tage später diese Geschichte erzählte. Ihm zufolge kursiert eine Legende in Jugendkreisen. Sie berichtet von einer Hexe, die in Kellern haust und Kinder raubt. „Sie schaut dich ganz genau an, und wenn du ihr gefällst, dann nimmt sie dich mit nach unten!", erzählte Marcel mit einem süffisanten Grinsen. „Diese armen Teufel werden dann nie wieder gesehen."
Natürlich glaubte ich ihm nicht, und statt Bewunderung handelte er sich eine Kopfnuss ein.
Als meine Eltern sich ein neues Sofa kauften, mussten wir das alte in den Keller tragen. Wir waren bei der Kellertür angelangt, und mir fiel diese Geschichte von Marcel wieder ein. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt, ich bekam Angst.
Jedoch passierte nichts besonderes.
Ich schloss gerade unsere Kabine ab, und wollte meinen Eltern hinterher, als ich etwas hörte. Tack, tack. Wie klopfen auf Holz, es näherte sich. Viermal klopfte es, dann war ich bei den Stufen, und rannte nach oben.
In der folgenden Nacht konnte ich nur mit Licht schlafen. Ich träumte auch schlecht, erinnerte mich am nächsten Morgen aber an nichts mehr. Die Träume hörten nicht auf, und ich wusste am nächsten Tag nie, was ich geträumt hatte, nur dass es ein Albtraum war.
Als ich Marcel wieder traf, erzählte ich ihm nichts von den Ereignissen. Ich dachte mir, das im Keller sei Einbildung gewesen, oder vielleicht eine Ratte. Außerdem hielt er mich so schon für einen Angsthasen.
Wir spielten gerade unser Lieblingsspiel, Ninja. Dazu hatten wir uns beide einen Schal übergeworfen, und rannten durch den Hof, als etwas meine Aufmerksamkeit erregte. Ich war mitten im Sprung, der Anblick brachte mich aber so aus der Fassung, dass ich nicht abrollte, und mit dem Knie auf den Stein knallte. Sobald der Schmerz erträglich wurde, schaute ich genauer hin, und Entsetzen überkam mich.
In einer Ecke, halb hinter einer Kiste verborgen, lehnte der Gehstock aus dem Keller.
Ich kann nicht beschreiben, welche Angst dieser Anblick in mir hervorgerufen hat, noch wusste ich sie mir zu erklären.
Wieder träumte ich von diesen scheußlichen Dingen, nur diesmal konnte ich mich beim Aufwachen erinnern. Ein Gesicht blitzte immer wieder in meinem Gedächtnis auf. Nicht wie im Traum, ich konnte es fast berühren.
Es war das Gesicht der Hexe. Sie stand am Eingang des Kellers, in ihrer Rechten hielt sie den Gehstock. Ihre Augen waren schwarz, und der Blick bohrte sich tief in mich hinein. Sie lachte, ein meckerndes Lachen, das immer dunkler und dunkler wurde. Ihre gelben Zähne waren ungewöhnlich lang, und sie Schnappte mit ihnen zusammen, wieder und wieder, während ihr Blick stets auf mich gerichtet war. Dieses Geräusch brachte mich fast um den Verstand.
Dann hob sie den Stock, und deutete auf mich. "Ich habe dich gefunden, Lucas. Oh ja, du bist bald bei mir. Hier unten gibt es alles was du willst, und so viele Kinder warten auf dich!" Das letzte, das ich sah, waren ihre Augen. Wie zwei dunkle Schächte die mich verschlangen.
Dann wachte ich auf. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, und ich hörte in Gedanken noch das Schnappen ihrer Zähne. Doch die Träume hörten plötzlich auf, und mit der Zeit begann ich wieder ruhiger zu schlafen. So beschloss ich keinem davon zu berichten, aber in den Keller ging ich nie wieder.
Wir spielten noch öfters in unserem Hof, ich schaute mich nach dem Gehstock um, aber er blieb verschwunden.
Einmal waren wir so sehr ins Basketball spielen vertieft, dass wir die Zeit vergaßen. Ich behielt den Eingang zum Keller, auf der anderen Seite des Hofes, ständig im Auge, und kam mir dabei selbst schon kindisch vor. Als es fast dunkel war, packten wir unsere Sachen, und verabschiedeten uns gerade, als mein Blick noch einmal den Keller streifte - mir stockte der Atem.
Die Tür stand plötzlich offen! Ich schaute in die Schwärze des Eingangs, konnte jedoch nichts erkennen. Alles sträubte sich in mir, doch ich näherte mich ein paar Schritte, und blickte gebannt in die Dunkelheit. Marcel bemerkte meine Erregung, und fragte mich was los sei.
Den Blick noch auf den Keller gerichtet, begann ich ihm stockend von den Ereignissen zu erzählen, die sich seit seiner Geschichte zugetragen haben. Anfangs lachte er noch, sah jedoch schnell wie ernst es mir war, und wurde nachdenklich.
„Tut mir leid dass dich das so mitgenommen hat, Lucas. Aber ich kann dich beruhigen Kumpel. Die Geschichte habe ich nirgendwo aufgeschnappt, ich habe sie mir nur ausgedacht!" Mit einem mitleidigen Blick klopfte er mir auf den Rücken.
Ein Stein fiel mir vom Herzen.
Dann war es also nur meine Fantasie, die mir einen Streich gespielt hatte. Und der Stock? Wahrscheinlich gehörte er irgend einer alten Dame aus dem Haus, und sie hatte ihn nur wieder rausgekramt.
Über meine Spinnereien lächelnd, drehten wir dem Keller den Rücken zu, auch wenn ich immer noch ein flaues Gefühl im Magen hatte. Wir waren bereits halb über den Hof, als plötzlich ein Geräusch zu hören war. Tack, tack.
Mir stellten sich die Nackenhaare auf.
Tack, tack. Ich war wie gelähmt, Kälte schlich sich an meinen Beinen hoch.
Tack, tack - das war keine Einbildung!
Wir wechselten einen Blick, und drehten uns gleichzeitig um. Doch es war nichts zu sehen, nur dieses Klopfen.
Marcel spähte angestrengt in die Kelleröffnung. Er schlich sich vorwärts, kam dem Geländer näher und näher. Doch nichts geschah.
Dann wurde es still. Er war gerade dabei sich wieder umzudrehen, ein freches Grinsen auf den Lippen, als sich von unten plötzlich etwas erhob.
Und all meine Albträume erfüllten sich. Da war sie, die Hexe. Mit ihren schrecklichen Händen griff sie nach Marcel, ihre klauenartigen Nägel gruben sich tief in sein Fleisch. Sie biss ihn in den Hals, dann riss sie ihn über das Geländer. Der Stock mit dem Hundekopf ging auf und nieder, sie schlug auf Marcel ein, er kreischte in Todesangst.
Dann packte das Ungeheuer ihn bei den Haaren, und riss ihn mit sich in die Dunkelheit.
Ich war gelähmt, konnte mich nicht bewegen. Mein Verstand drohte zu zerbrechen. Ich sah noch Marcels blonde Haare, die sich etwas von der Dunkelheit abhoben, wie sie schneller und schneller in dem Tunnel verschwanden, und dann von der Schwärze verschlungen wurden. Ihr meckerndes Gelächter, vermischt mit Marcels Schreien, wurde von den Wänden verstärkt, und hallte in inferalem Echo zu mir hoch.
Dann wurde es still, Grabesstille. Keine Vögel, keine Autos waren zu hören. So als wäre ich in eine andere Dimension geraten, abgekapselt von der Welt, allein mit diesem Monster.
Wie lange ich dort stand weiß ich nicht. Ich hatte Todesangst, wollte laufen, nur weg hier. Oh Gott, Marcel war bei ihr, dort unten in der Tiefe. Ich konnte ihm nicht helfen. Nichts auf der Welt hätte mich in diesen Keller gebracht, in diese Schwärze, die mehr und mehr einem Schlund der Hölle zu gleichen schien.
Plötzlich ein langgezogener Ton. Er kam aus dem Keller, ein dunkles Gurgeln, das immer lauter wurde. Sie kam, rasend schnell. Schon war sie bei der Treppe. Dieser grässliche Stock schlug im Takt ihrer Schritte auf den Boden auf - Tack, tack.
Sie bannte mich mit ihrem Blick, zwei dunkle Tunnel in die ich zu fallen drohte. Der Anblick war grotesk. Der alte, ausgedörrte Körper, ihr Katzenbuckel und die zitternden Hände verrenkten sich in unmenschlicher Weise, um nach mir zu greifen. Die Hexe war über mir, ich konnte ihre Warzen sehen, ihr fauliger Atem schlug mir entgegen. Sie ergriff meine Haare, ihre Nägel kratzten mir über die Haut.
Ekel übermannte mich - ich riss mich von ihrem Blick los, der Bann war gebrochen. Dann stieß ich sie weg, mit aller Kraft die ich noch aufbieten konnte, und rannte um mein Leben.
Ich rannte bis mir die Venen brannten, und mein Herz sich anfühlte als würde es gleich platzen.
Als ich mich umdrehte, war sie weg. Marcel aber blieb auch verschwunden.


12.05.14, 01:46 Uhr
Und seitdem bin ich nicht mehr in Keller gegangen, kein einziges mal. Vielleicht versteht ihr jetzt, was ich hinter mir habe. Ich sah sie nie wieder, nur manchmal träumte ich noch von schlimmen Dingen. Doch ich konnte mich im Nachhinein nie daran erinnern, und dafür war ich dankbar.
Aber in letzter Zeit haben sich die Träume gehäuft, und bruchstückhaft blitzen Bilder auf, in dunklen Ecken meines Geistes bilden sich Erinnerungen, die ich mir selbst nicht eingestehen will. Ich träume auch von Marcel. Er ist dort unten, in tiefster Schwärze, und schreit nach mir.
14.05.14, 19:15 Uhr
Morgen gehe ich runter.
Das Zugticket habe ich bereits gekauft, jetzt gibt es nichts mehr, das mich hält. Ich weiß nicht was mich erwartet, und ja, ich habe schreckliche Angst. Seit ich mich wieder an die Träume erinnere, geht es bergab. Ich sehe Dinge, höre Stimmen, zweifle an mir selbst. Ich halte das nicht mehr aus.
Es wird Zeit mich dem Stellen, ein für alle mal reinen Tisch zu machen.
Da, ich höre Marcel rufen... Morgen ist alles vorbei. Falls ich wieder rauskomme, werde ich euch von den Geschehnissen berichten.
Ansonsten ist das mein letzter Eintrag... Lebt wohl

Dienstag, 1. Juli 2014

Säure

Vor drei Tagen bekam ich Pokémon Diamant von einem engen Freund zum Geburtstag geschenkt. Es war nagelneu und wurde nie geöffnet. Aufgeregt legte ich das Spiel ein, sobald ich Zuhause war. Seltsamerweise gab es bereits einen Spielstand. Der Trainer hieß Louis und hatte bereits alle Orden und Pokémon gesammelt. Neugierig lud ich den Spielstand und wurde mit dem Anblick eines scheinbar normalen Spiels konfrontiert.
Er hatte ein Team, zusammengesetzt aus vier Nebulaks und zwei Karpadors. Die Nebulaks hießen alle "Desire" und die beiden Karpadors hießen "Karpe Diem". Ich lachte ein wenig über den absichtlichen Schreibfehler bei Carpe Diem und ging ins Gras, um die Pokémon zu testen.
Obwohl sie nicht an der Spitze der Gruppe waren, kam einer der Karpadors zuerst raus. Das Spiel verkündete stolz: "Karpe Diem will kämpfen!" Ich seufzte und drückte Kampf. Zu meiner Überraschung kannte das Karpador die Attacken Säure, Säurepanzer und Säurespeier, sowie den üblichen Platscher. Das wunderte mich ein wenig, weil ich wusste, dass Säurespeier bis zur fünften Generation nicht existierte, aber Diamant war ein Spiel der vierten Generation und dann kannte ausgerechnet ein Karpador diese Attacke.
Ich hätte das Spiel zurück geben sollen, aber ich war zu neugierig um meinen Freund zu zwingen, das Spiel zurückzunehmen. Das Spiel ging ohne mich weiter, das Karpador setzte Säurespeier gegen das arme, kleine Volbeat ein. Ich legte das Spiel ab und starrte es an, als es angekündigte: "Karpe Diem hat Säurespeier verwendet! Volbeat wurde schwer verbrannt!"
Ich sah, dass eine ganze Hälfte seines Körpers verbrannt und stellenweise ganz geschmolzen war. "Karpe Diem will essen! Lassen Sie es?" Ich tippte wütend Nein, aber das Spiel reagierte nicht. Wiederwillig tippte ich ja.
Man sah eine Animation, in der Karpador auf das verletzte Volbeat sprang und es auffraß. Verängstigt rief ich meinen Freund. Er war innerhalb von ein paar Minuten da und sagte: 
"Es gibt nur eins das man mit so einem Spielmodul machen kann." Dann riss er mir das Spiel aus der Hand, schob es sich in den Mund, zerbiss es mit den Zähnen und Schluckte es runter.
"Ruf mich an, wenn sowas wieder passiert."

Der Tag an dem Musik tötete

Ich mähte meinen Rasen. Haha… das hört sich wie ein ganz normaler Tag an, dachte ich. Ich wünschte, es wäre so ein Tag gewesen. Ich mähte den Rasen, hatte meinen auf meinem iPod Musik laufen und es tat gut, meine Lieblingssongs zu hören. Aber dann passierte etwas... das normalerweise nicht passiert. Ich hörte einen seltsamen Beat durch die Kopfhörer. Es war einer, den ich nie zuvor gehört hatte, was komisch war, da der iPod neu war und ich noch nicht sehr viele Songs darauf hatte. Aber dieser war trotzdem da. Der Song war seltsam wie kein anderer, den ich vorher gehört hatte. Es schien eine Art Mix aus Dubstep und Heavy Metal zu sein. Und dann kamen die Wörter. Diese Wörter... Die verstörendsten Worte, die ich in meinem ganzen Leben gehört hatte. Ich war kurz davor, mich zu übergeben. Sie sprachen über... sie sprachen über meinen… Tod. Und fürchterlich dazu. Jede Beschreibung war vom grausamsten und verstörendsten Tod, den ich mir vorstellen konnte, bis ich den nächsten Vers hörte, der noch schlimmer war. Wie meine Augen von einem Serienkiller ausgerissen wurden, meine Glieder entfernt wurden, während ich gefesselt war, wie ich als Sklave gehalten wurde und bis zum Tod vergewaltigt wurde. Es war schrecklich. Ich riss meine Kopfhörer aus den Ohren, zog den iPod aus meiner Tasche und entsperrte ihn. Ich ging zu „Meine Musik“ und sah mir den Song an, der lief. Es gab kein Album Cover. Keine Band. Keinen Titel. Nur die Leiste, die die Länge anzeigt und wie weit man war. Nun, diese zeigt an beiden Enden 0:00, aber der kleine Punkt steckte am Anfang fest. Ich konnte immer noch hören, wie der Song aus den Kopfhörern kam. Ich zog die Hörer aus dem iPod und der Song begann aus den Lautsprechern zu tönen. Ich versuchte, den Song zu pausieren, aber es funktionierte nicht. Nichts passierte. Ich wollte den iPod ausschalten, aber das klappte ebenso wenig. Der Song wollte einfach nicht mehr aufhören. Also rannte ich in meine Garage, holte einen Hammer aus der Werkzeugkiste und zerschlug den iPod zu Staub. Endlich endete der Song. Aber er lief weiterhin durch meine Gedanken und, egal was ich tat, ich konnte ihn nicht vergessen. Ich konnte mich an jedes einzelne Wort erinnern. Als ich ins Bett ging, bereitete ich mich auf eine schlaflose Nacht vor, doch zu meiner eigenen Überraschung versank ich bald im Schlaf. Ich wünschte, ich wäre nicht eingeschlafen. Ich träumte die ganze Nacht von dem Song und allen Dingen, die er beschrieb. Es war die schlimmste Nacht meines Lebens, aber ich schien nicht aufwachen zu können. Ich steckte im Traum fest. Dann, endlich, am Mittag, wachte ich auf, weinend in Schweiß getränkt. Diese Träume waren die lebhaftesten, die ich je hatte. Ich brauchte eine Stunde, um aus dem Bett und in die Dusche zu kommen, aber ich schaffte es. Nach der Dusche fühlte ich mich ein bisschen besser und ich entschied, in die Stadt zu fahren. Ich kam nach 20 Minuten in New York an und fuhr zur Grand Central Station. Ich weiß nicht, wieso, ich glaube, ich dachte, dass die Geschäftigkeit mir helfen könnte, den Song aus meinem Kopf zu kriegen. Ich saß eine Weile auf einer Bank und wanderte dann ein wenig herum. Dann verschlechterten sich die Dinge. Als ich so herumlief, hörte ich jemanden summen. Und dann wurde mir klar, welcher Song da gesummt wurde. Es war exakt der Song, den ich am Vortag gehört hatte. Dann wurde aus dem Summen Singen und dieser schreckliche Text ergoss sich in meinen Kopf. Ich dreht mich nach rechts, wo der Klang herzukommen schien. Meine Augen blieben hängen an einem Mann, der, mit dem Gesicht zur Wand, diesen grauenhaften Song sang. Sobald ich ihn an sah, drehte er sich zu mir und sah mir direkt in dir Augen. Seine Augen waren leer, doch sein Mund bog sich zu einem bösen Lächeln. Ich war vor Angst erstarrt. Er griff mit der Hand in seine Tasche und zog eine Pistole heraus. Endlich bewegten sich meine Beine. Ich rannte ein paar Schritte und rutschte den Flur hinunter, als er den Abzug drückte. Die Patrone war über mir und schaffte es irgendwie, niemanden zu treffen und traf die Wand auf der anderen Seite des Raumes. Massenpanik brach aus. Ich wurde von den Flutwellen von unschuldigen Umstehenden weggetragen, konnte aber sehen, wie Sicherheitsbeamte den Mann niederstießen. Ich ließ die Schockwelle mich hinaustragen, rechtzeitig, um die Polizei kommen zu sehen. Ich glitt aus der Verwirrung und rannte den Bürgersteig entlang, zum Parkplatz, auf dem immer noch mein Auto stand. Ich erreichte mein Auto und sprang hinein, rammte den Schlüssel in die Zündung und drehte ihn. Ich raste nach Hause, verschloss und verrammelte alle Türen und Fenster, nahm meine AR-15 aus dem Gewehrschrank und setzte mich ins Wohnzimmer. Ich saß so die ganze Nacht dort, zu verstört, um mich zu bewegen. Aber der nächste Tag war ein Montag und ich hatte einen Job. Ich war ein Tipper in einem kleinen Büro, aber es war dennoch ein Job. Ich duschte mich nicht oder putzte mir die Zähne oder irgendwas derartiges. Ich stieg einfach in mein Auto und fuhr los. Ich kam am Bürogebäude an, mit der AR-15 unter dem Sitz und gewaltiger Furcht in meinem Herzen. Ich schleppte mich hinein und versank in dem Stuhl in meiner Kabine. Ich loggte mich gerade in meinen Computer ein, als ich merkte, dass etwas nicht stimmte. Es gab keine Geräusche. Kein Tippen. Kein Gerede. Kein Piepen der Drucker. Stille. Und dann passierte, das Schlimmste, das kommen konnte. Die Lichter gingen aus. Stille und Dunkelheit. Ich saß in purer Angst da und fürchtete jeden Gedanken, da ich wusste, was nun passieren würde. Der Gesang begann. Er schien aus allen Ecken des Büros zu kommen. Dieses grauenhafte Lied. Und es wurde von einer Menge Leute gesungen. Es hätte schön geklungen, wenn die Worte nicht so scheußlich gewesen wären. Ich kroch aus meiner Kabine und in die nächste den Gang hinunter, schlängelte mich unter den Schreibtisch gegen die Wand am Eingang und bereitete mich auf das Schlimmste vor. Der Gesang bewegte sich näher und im ganzen Büro herum. Sie suchten nach mir. Ich wusste es. Sie suchten mich, um mich umzubringen. Irgendwie musste das Lied den Verstand von allen infiziert haben und ich war jetzt das Opfer irgendeiner kranken Jagd. Ich hörte eine einzelne Stimme lauter werden, näher kommen. Ich sah zwei Schuhe die Zelle betreten, dann drehten sie sich um und gingen wieder raus. Sie suchten in jedem kleinen Büro nach mir. Und dann, als ich dachte, dass es nicht schlimmer werden könnte, hörte die Musik auf. Es war irgendwie noch schlimmer als das Singen, weil ich wusste, dass dort Massen von Leuten nach mir suchten, um mich in Stücke zu reißen. Ich kroch aus meiner Zelle und auf die Tür des Büros zu. Ich war unerträglich langsam, aber ich machte Fortschritt. Als ich fast bei der Tür war, ging das Licht an und eine Gruppe von Menschen stand einem Halbkreis auf der anderen Seite der Tür. Und diese Leute waren schlimmer als der Mann vor zwei Tagen. Die Augen von diesen Menschen waren komplett leer. Nur das Weiße in ihren Augen war zu sehen. Und sie alle hatten das gleiche dämonische Grinsen auf den Lippen, wie der Mann zuvor. Ich stand auf und schoss aus der Tür, mit eilenden Schritten hinter mir. Ich raste den Gang hinunter und schlug auf den Knopf zum Aufzug. Gott sei Dank war der Aufzug schon auf meinem Stockwerk. Ich sprang hinein, drückte Lobby und hämmerte den Tür-schließen-Knopf. Aber es hetzten mich keine hastigen Schritte mehr. Ich schaute auf, als sich die Aufzugtüren schlossen und sah alle meine dämonischen Mitarbeiter mit diesem teuflischen Grinsen im Korridor stehen, mit Schaum am Mund starrten sie mich einfach nur an. Ich brachte mein Auto an seine Grenzen auf dem Weg nach Hause, mit meiner AR-15 auf dem Schoß und erschöpft von all der Energie. Ich schleppte mich ins Haus, verbarrikadierte wieder alle Türen und Fenster und überlegte in der Küche stehend, was ich als nächstes tun sollte. Ich holte ein Kissen und ein paar Decken und ging die Treppe runter. Ich schloss die Tür oben an der Treppe ab und tat das gleiche mit der Tür am unteren Ende der Treppe. Dann ging ich ins Bad und ließ mich in der Badewanne zum schlafen nieder. Ich wachte ein paar Stunden später auf und entschied, den Fernseher anzumachen, vielleicht, um mich ein wenig abzulenken. Es liefen grade die Nachrichten und ich ließ die Fernbedienung fallen. Die Nachrichtensprecher saßen, starrten in die Kamera und sangen. Es schien, dass sie, sobald mein Fernseher eingeschaltet war, lauter sangen und sich das Teuflische in ihrem verzogenen Grinsen intensivierte. Ihre Augen folgten meinen Bewegungen. Dann zeigten sie ein Bild meines Hauses, umstellt von Menschen und dieses schreckliche Lied ging von der Horde aus. Ich schaltete den Fernseher ab und hörte oben ein Fenster splittern. Ich hörte stampfende Schritte sich ihren Weg zu meinem Untergeschoss suchen. Ich hörte, wie Äxte das Holz spalteten und die Tür endlich den Weg freigab. Als ich hörte, wie sie ihren Weg zur unteren Tür gingen, war ich erstaunlich ruhig. Ich begann zu summen, dann zu singen. Das Hämmern an der Tür fing an, doch ich fürchtete mich nicht. Ich hatte schon den Lauf meiner Pistole im Mund, als mir klar wurde, welches Lied ich sang.